Ille C. Gebeshuber
"Wichtig ist, die Physik nicht nur auf das Erheben von Daten zu reduzieren, sondern danach zu trachten, die Welt in aller ihrer Komplexität ganzheitlich zu verstehen."
Ille C. Gebeshuber (Mitglied der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft, ÖPG) ist Associate Professor an der Technischen Universität Wien. Nach ihrer Habilitation in Experimentalphysik verbrachte sie sieben Jahre in Malaysia. Zahlreiche Regenwaldexpeditionen (u. a. im tiefsten Dschungel von Borneo) eröffneten ihrem Physikerinnenblick das große Inspirationspotential der belebten Natur für die Technik. Seit 2016 ist sie wieder retour in Wien, an ihrem Heimatinstitut. Ihre Bücher „Wo die Maschinen wachsen – Wie Lösungen aus dem Dschungel unser Leben verändern werden“ und „Eine kurze Geschichte der Zukunft – Und wie wir sie weiterschreiben“ zeigen allgemein verständlich ihre Zugänge auf, und inspirieren in jungen Menschen das Interesse an den Naturwissenschaften und gesellschaftlicher Verantwortung. Ihre Hauptarbeitsgebiete heute sind Bionik, Nanotechnologie und Tribologie.
Wenn ich nicht Physiker/in geworden wäre...
…wäre ich Notärztin geworden.
Welches ist der schönste Konferenz-Ort, den Sie kennen?
Der schönste Konferenzort, den ich kenne, ist der geistige Ort, an dem interessierte und neugierige Menschen zusammenkommen, und gemeinsam ihre Talente spielen lassen, um Gutes zu erreichen. Das kann an einem Flussufer sein in Thailand, oder in einem anonymen Konferenzzentrum – die Menschen zählen!
Was bewegt Sie neben Physik und Arbeit?
Ich bewege mich gerne durch die Welt der Düfte, und mische auch meine eigenen Parfums – für Freundinnen und Freunde, und hin und wieder auch für Tiere. Katzen lieben einige meiner Kreationen! Und dann mag ich auch noch den Geruch von Kamelen und die Einsamkeit in Höhlen, ganz weit hinten, wo man nur durch Kraxeln hinkommt, und wo wahre Wunderwesen wie blaue Würmer leben, die noch nie Tageslicht erlebt haben.
Welchen Bezug haben Sie zur DPG?
Es war bei einer DPG-Frühjahrstagung in Regensburg, als mein Mann und ich zusammengekommen sind!
Wie stellen Sie sich die DPG in Zukunft bzw. an ihrem 200. Jubiläum im Jahr 2045 vor?
Die DPG feiert an ihrem 200. Geburtstag im Jahr 2045 große neue Durchbrüche in der Physik. Diese wurden durch ihre vielfältigen Aktivitäten ermöglicht, die vielversprechende Talente schon in jungem Alter identifiziert und gezielt fördert, und ihnen eine Umgebung zur Verfügung stellt, in der sie ohne allzu großen Druck - und mit viel Zeit zum Lernen und zur Reflektion - Verstehen entwickeln können.
Welche Aufgabe sehen Sie für die Physik in der Gesellschaft von morgen?
Physik ist die Basis aller Naturwissenschaft. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, sie nicht nur auf das Erheben von Daten zu reduzieren, sondern danach zu trachten, die Welt in aller ihrer Komplexität ganzheitlich zu verstehen. Vereint mit Herzensbildung und gesellschaftlicher Verantwortung kann die Physik dazu beitragen, selbstmotivierte Menschen zu formen, die wichtige gesellschaftliche Beiträge leisten.
Warum sollten sich PhysikerInnen verstärkt in den politischen Diskurs bzw. Alltag einbringen?
Weil wir durch unsere naturwissenschaftlich analytische Ausbildung eine ganz spezifische Sichtweise der Dinge haben. Im besten Fall können wir komplexe Zusammenhänge erkennen, sowie Trends und Entwicklungen vorhersagen, und dadurch maßgeblich zum politischen Diskurs beitragen.
Mit welchem Thema beschäftigte sich Ihre Abschlussarbeit?
Das menschliche Innenohr war Thema meiner Diplomarbeit und Dissertation. Die Genauigkeit und Bandbreite der (im Vergleich zu den Sehzellen) relativ wenigen Sensoren im Ohr ergibt ein Regelungssystem, das immer aufs Neue begeistert.
Welche Fragestellungen der Physik begeistert Sie heute am meisten?
Was ist Leben?
Woran arbeiten Sie heute?
Ich beobachte die belebte Natur, versuche, grundlegende Prinzipien zu identifizieren und zu abstrahieren, und dann in die Technik zu übertragen. Wie erzeugen Bakterien mit lokal verfügbaren Materialien Einkristallmagnete? Wie machen Algen im kalten Polarmeer Glas? Und was können wir daraus für umweltfreundliche Produktionstechniken lernen?
Was möchten Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs mitgeben?
Neugierig bleiben! Nicht aufgeben! Fragen stellen. Hinterfragen. Auf das Außergewöhnliche achten. Dem Zufall eine Chance geben. Bereit sein!
Physik ist wie...
...eine Blume aus der eine Blume wächst aus der eine Blume wächst, jede schöner als die vorige.
Sagen Sie uns, was Sie uns schon immer sagen wollten.
Wenn ich noch einmal 18 bin, studiere ich wieder Technische Physik!
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