Jahresbericht 1994

Berichtszeitraum: 1. April 1994 bis 31. März 1995

Präsident

In den letzten 10 Jahren hat sich die Mitgliederzahl der DPG verdreifacht. Zum Ende des abgelaufenen Jahres waren es 28.300. Was einmal ein überschaubarer, familiärer Verein gewesen ist, hat inzwischen die Größe eines ansehnlichen mittelständischen Unternehmens angenommen. Ein solches Unternehmen muß professionell geführt und verwaltet sein, damit es auf sicherem Kurs bleibt. Zugleich ist die DPG - ob sie es nun will oder nicht - ein nicht mehr zu übersehender Faktor in der öffentlichen Diskussion. Von ihren Physikern erwartet die Öffentlichkeit, daß sie kraft ihrer wissenschaftlichen Kompetenz auch klärend und wegweisend zu aktuellen Lebensfragen der Industriegesellschaft Stellung nehmen. Damit weist sie uns, der DPG, ein Stück politischer Mitverantwortung zu, die über den Horizont hochspezialisierter Forschung deutlich hinausgeht. So war 1994 für die DPG ein Jahr, in dem Weichen für die Zukunft gestellt werden mußten.

Wir haben mit dem Innenverhältnis begonnen. Damit es bei einem ehrenamtlichen Vorstand bleiben kann, mußte die Geschäftsstelle nicht nur in ihrer Leistung verbessert, sondern auch in die Lage versetzt werden, steigende Ansprüche erfüllen zu können. Wir haben sie deshalb reorganisiert, mit klaren Verantwortlichkeiten ausgestattet und einige personelle Veränderungen vorgenommen. Mit Zustimmung des Vorstandsrates wurde Dr. Volker Häselbarth zum 1. Dezember 1994 als neuer Hauptgeschäftsführer bestellt, nachdem er bereits seit Mai 1994 kommissarisch in dieser Funktion tätig war.

Angesichts wachsender Aufgaben der DPG ist eine weiterhin solide Finanzierung ein Gebot der Stunde. Wir haben deshalb unsere maßgeblichen "Geschäftsfelder" - Mitgliedsbeiträge, wissenschaftliche Tagungen, Physikalische Blätter, Tagungszentren, Außenbeziehungen - kritisch geprüft, um sie künftig noch professioneller betreiben zu können. Optimale Unterstützung unserer Mitglieder zu möglichst günstigen Konditionen ist hier unsere Leitlinie.

Ein besonderes Ereignis war die Inbetriebnahme des Magnus-Hauses in Berlin als zweite Tagungsstätte der DPG neben dem Physikzentrum in Bad Honnef. Das Haus eröffnet uns in Zukunft neue Möglichkeiten sowohl der Außenwirkung von Wissenschaft wie auch des innerfachlichen Diskurses. Es war ein langer und mühevoller Weg, bis das traditionsreiche, aber stark heruntergekommene Gebäude im historischen Stadtkern von Berlin schließlich am 18. November 1994 eingeweiht und seiner alten Bestimmung neu zugeführt werden konnte. Herr Prof. Mayer-Kuckuk hat als Wissenschaftlicher Leiter damit begonnen, es durch eine Reihe von Veranstaltungen mit Leben zu füllen. Er wird darin unterstützt durch ein Kuratorium (Vorsitz: Prof. Queisser) und einen Wissenschaftlichen Beirat (Vorsitz: Prof. Schwoerer).

Besonders dankbar sind wir für die Einrichtung einer Stiftung aus dem Kreis der Mitglieder der DPG. Frau Dr. Isolde Dietrich hat aus ihrem privaten Vermögen einen Stipendienfonds geschaffen, mit dem sie Grundlagenarbeiten auf dem Gebiet der Festkörperphysik fördern und dabei zugleich die Rolle von Physikerinnen stärken möchte. Inzwischen konnte das erste Stipendium vergeben werden. Solche Art privater Wissenschaftsförderung ist schon etwas Ungewöhnliches in unserer heutigen Zeit.

Nach längeren Vorarbeiten konnten wir drei Memoranden der DPG zum Abschluß bringen, die rege Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden haben. Unter dem Titel "Die Zukunft braucht Physik" haben wir Stellung bezogen zur Bedeutung physikalischer Forschung in unserer Gesellschaft und den dazu notwendigen Rahmenbedingungen. Rechtzeitig zur internationalen Klimakonferenz in Berlin legte die DPG erneut ein Energiememorandum vor, das der Arbeitskreis Energie unter Leitung von Prof. Schultze erarbeitet hat. In der "Denkschrift zum Physikstudium an den deutschen Hochschulen" weisen wir auf Chancen und Risiken von Physik als Beruf hin, und wie man ihnen in der gegenwärtig schwierigen Beschäftigungslage begegnen kann.

Den "Tag der DPG" am 11. November 1994 in Bad Honnef haben wir exklusiv der Frage des Arbeitsmarktes der Physiker gewidmet, nachdem dieses Thema für die Hochschulabsolventen zunehmend an Dramatik gewinnt. Dabei entstand auch ein neuer Arbeitskreis "Optionen für die Zukunft" unter der Leitung von Prof. Sixl.

Höhepunkt des Berichtsjahres war die 59. Physikertagung 1995 in Berlin. Die Anzahl der Vorträge und sonstigen Veranstaltungen, nicht zuletzt auch der Teilnehmer, übertraf alle bisherigen Frühjahrstagungen. Prof. Richter und sein Team meisterten dessen ungeachtet die Vorbereitung und Durchführung der gesamten Veranstaltung vorzüglich. Ihren besonderen Akzent erhielt die Tagung durch die 150-Jahrfeier der DPG. Sie war der Rolle der Physik in einer von Innovation geprägten, weltweit vernetzten Industriegesellschaft gewidmet. Wir sind dankbar für die Grußworte zur Festsitzung, die der Bundespräsident, Herr Herzog, der Berliner Regierende Bürgermeister Diepgen, Staatssekretär Neumann aus dem BMFT und der Präsident der TU Berlin, Prof. Schumann, für inhaltlich prägnante Auseinandersetzungen mit aktuellen forschungs- und bildungspolitischen Fragen nutzten. Der Festvortrag von Herrn Störmer, AT&T Bell Laboratories, verband ebenso eindrucksvoll wie kurzweilig die Geschichte mit der Zukunft unserer Disziplin. So kann sich wohl die 150-Jahrfeier der DPG im Reigen ihrer "runden" Geburtstage auch vor nachfolgenden Generationen sehen lassen.

Über der langfristigen haben wir natürlich auch die unmittelbare Zukunft nicht vergessen. Als designierten Präsidenten der DPG konnte der Vorstand Prof. Markus Schwoerer, Bayreuth, gewinnen. Der Vorstandsrat folgte diesem Vorschlag auf seiner Sitzung am 11./12. November 1994 mit überwältigender Mehrheit.

Prof. Dr. H. G. Danielmeyer
Präsident

 

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