Jahresbericht 1997

Berichtszeitraum: 1. April 1997 bis 31. März 1998

Präsident

Im Berichtszeitraum (1. April 1997 bis 31. März 1998) hat der Vorstand (V) viermal getagt und der Vorstandsrat (VR) dreimal: der VR am 20. Juni im Magnus-Haus Berlin, am 14. und 15. November im Physikzentrum Bad Honnef und am 22. März vor der Physikertagung in der Universität Regensburg.

Die ehrenamtliche Tätigkeit der Mitglieder des Vorstands und des Vorstandsrats, der Mitglieder der Regional- und Ortsverbände, der Arbeitskreise und Beratenden Ausschüsse, der Preiskomitees, der wissenschaftlichen Beiräte und Kuratorien, der Herausgeber der Physikalischen Blätter und ungenannter Mitglieder ist zur Vorbereitung und Durchführung der Physikertagung, der Frühjahrstagungen, der vielen anderen überregionalen wissenschaftlichen Tagungen, zur Publikation der Physikalischen Blätter sowie zur Vorbereitung und Verabschiedung der Empfehlungen mit denen sich unsere 152 Jahre alte Gesellschaft in Angelegenheiten der Wissenschaft an die Öffentlichkeit, an die Organisationen zur Förderung der Wissenschaft und auch an unsere Mitglieder richtet, unerläßlich. Die ehrenamtliche Tätigkeit unserer Mitglieder und die Wahrung demokratischer Grundsätze in unseren Gremien erfordern zwar oft große Geduld, sind aber letztlich meines Erachtens wertvoller, als jedes andere System zur Führung der Gesellschaft. Zusammen mit den sechs (zeitweise sieben) Angestellten in unserer Geschäftsstelle im Physikzentrum und im Magnus-Haus unter der sehr effizienten und vorbildlichen Leitung unseres Hauptgeschäftsführers Dr. Häselbarth bilden die mehr als 200 ehrenamtlich tätigen Mitglieder das menschliche Fundament unserer Gesellschaft. Herr Dr. Häselbarth wurde auf der Sitzung des VR im Magnus-Haus bis zur Erreichung seiner Altersgrenze für den Ruhestand wiedergewählt. Ich bedanke mich am Ende meiner Amtszeit für seine hervorragende, faire, sachliche und fachkompetente Zusammenarbeit mit mir.

Gleichfalls bedanke ich mich bei den ehrenamtlich tätigen Mitgliedern. Sie sind in diesem Heft der Physikalischen Blätter und im entsprechenden Heft des Vorjahres verzeichnet und wurden in geheimer Wahl gewählt und damit zu ihrem Amt legitimiert. Ich bedanke mich ausdrücklich auch bei den Nichtgewählten für ihre Bereitschaft ein Amt zu übernehmen. Sie alle können stolz darauf sein, daß wir inzwischen mehr als 30.000 Mitglieder haben, die in vieler Hinsicht ein breites Spektrum bilden. Unter den neuen Mitgliedern des vergangenen Jahres waren z. B. sowohl Studenten als auch ein Nobelpreisträger. Der Zuwachs an Mitgliedern wird jedoch weder mir noch den übrigen Mitgliedern des Vorstands den Blick vor Defiziten verschleiern, die es neben der vorrangig notwendigen Pflege der Aktivitäten der überwiegend nicht unzufriedenen Mitglieder zu beseitigen gilt. Darauf hat u.a. die Arbeitsgruppe Leistungsspektrum hingewiesen, über deren Ergebnisse in der VR-Sitzung im Magnus-Haus ausführlich diskutiert wurde.

Aus meiner Sicht positiv zu bewertende Aktivitäten unserer Gesellschaft werde ich im folgenden in der gebotenen Kürze auflisten und bisweilen kommentieren. Danach will ich aber auch unsere Defizite nicht unerwähnt lassen.

Es ist selbstverständlich, daß in dieser Reihe zu allererst die DPG-Frühjahrstagungen genannt werden müssen. Im Jahr 1998 haben sie in Bayreuth, Konstanz, Bochum, Zürich, Freiburg und Regensburg stattgefunden. Mit ihren jeweils etwa 1000, (in Regensburg mehr als 3000, in Zürich etwa 300) Teilnehmern und fast ebenso vielen Beiträgen sind sie nach wie vor weltweit deshalb fast einmalig, weil sie ein bewährter Treffpunkt von jungen und älteren Wissenschaftlern mit Kommilitonen und Kollegen aus anderen Hochschulen und Forschungsinstituten sind. Auf den Physikertagungen entstehen wissenschaftliche Kontakte und auch Freundschaften, die oft viele Jahre, bisweilen ein ganzes Berufsleben lang andauern. Auf den Physikertagungen werden auch unsere wissenschaftlichen Preise vergeben. Wir demonstrieren damit, welche Leistungen wir als besonders hoch einschätzen, und gleichzeitig pflegen wir damit unsere etablierten Beziehungen zu physikalischen Gesellschaften unserer europäischen Nachbarn. Erstmals konnten wir in Regensburg den von der Polnischen Physikalischen Gesellschaft und von der DPG vergebenen und von Herrn Dr. Meyer-Viol finanziell großzügig unterstützten Marian Smoluchowski - Emil Warburg-Preis an den polnischen Physiker A. Bialas verleihen (Phys. Bl. 54 (1998) 65).

In der VR-Sitzung am 20. Juni wurde der Arbeitskreis Atome, Moleküle, Quantenoptik und Plasmen (AK-AMOP) gegründet. In der VR-Sitzung auf der Physikertagung in Regensburg wurden der neue Fachverband "Umweltphysik" und der Arbeitskreis "Physik und Abrüstung" gegründet. Alle drei Beschlüsse belegen, daß die Struktur unserer Teildisziplinen und ihrer interdisziplinären Beziehungen nicht stagniert. Der Festvortrag des Nobelpreisträgers für Chemie, Professor Paul Crutzen, war ein würdiger Anfang für den neuen Fachverband. Ihm und den beiden neuen Arbeitskreisen wünsche ich fruchtbare Zukunft.

Auf der Physikertagung in Regensburg wurde auch das in intensiver Zusammenarbeit mit den bevollmächtigten Vertretern der Präsidenten der DFG, der Helmholtz- Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und der Wissensgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz erarbeitete "Plädoyer für die Forschung an Großgeräten" verabschiedet und unmittelbar danach an Herrn Staatssekretär Dr. Fritz Schaumann im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) gesandt. In diesem Plädoyer apelliert die DPG an den BMBF die Förderung der Nachwuchswissenschaftler insbesondere aus den Hochschulen, aber auch aus den Forschungsinstituten (außerhalb der Hochschulen) an den Großgeräten (die von der Bundesrepublik gebaut und unterhalten werden) fortzuführen (vgl. Phys. Bl. 54 1998) Nr. 5).

Ebenfalls auf der Physikertagung in Regensburg wurde der "Verhaltenskodex für Mitglieder" verabschiedet. Er wurde im Mai-Heft der Physikalischen Blätter veröffentlicht und beruht auf der ernsthaften und engagierten Diskussion des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Wolfgang Frühwald, mit den Teilnehmern beim Tag der DPG am 14. November im Physikzentrum Bad Honnef. Ebenfalls an diesem Tag wurden wir alle mit der Vergabe der Publizistik-Medaille an Rainer Flöhl von der FAZ traditionsgemäß daran erinnert, daß es auch zu unserer vornehmen Pflicht gehört, der Öffentlichkeit mitzuteilen, was wir forschen und daß wir dazu den intensiven Kontakt zu den Wissenschaftsredaktionen unserer Tageszeitungen pflegen müssen.

Ein besonderer würdiger Anlaß zum Kontakt mit der Öffentlichkeit war die Gedenkveranstaltung zum 50. Todestag von Max Planck, die wir zusammen mit der Max-Planck-Gesellschaft, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und der Humboldt Universität zu Berlin am 4. Oktober 1997 im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt veranstaltet haben. In den Physikalischen Blättern 53 (1997) Nr. 10 haben Helmut Rechenberg und Dieter Hoffmann dazu einen Sonderteil veröffentlicht. Im Anschluß an den Festakt mit 700 geladenen Gästen konnten wir im Magnus-Haus die auch von der Berliner Öffentlichkeit viel besuchte und gelobte Ausstellung "Max Planck – Leben Werk Persönlichkeit" eröffnen. Diese und die wachsende Zahl von Diskussionsveranstaltungen im Magnus-Haus lassen unser Juwel in Berlin Mitte inzwischen zu einem attraktiven Treffpunkt werden. Unser besonderer Dank gilt dafür insbesondere Herrn Mayer-Kuckuk.

Mit großer Intensität haben der Vorstand und der Hauptgeschäftsführer begonnen den Beschluß des Vorstandsrats zur Gründung der vollelektronischen Zeitschrift New Journal of Physics (NJOP) zu realisieren. Zusammen mit dem Institute of Physics (IOP) wurde dazu in Regensburg eine Declaration of Intent unterzeichnet (vgl. Phys. Bl. 54 (1998) Nr. 5). Mit der Erstausgabe kann im Herbst d.J. gerechnet werden. Das Projekt NJOP ist außerordentlich zukunftsorientiert und wird am Anfang Geduld und Überzeugungsarbeit benötigen. Zusammen mit sehr vielen Mitgliedern und natürlich mit unseren Partnern vom IOP bin ich überzeugt davon, daß NJOP eine Zeitschrift von höchster wissenschaftlicher Qualität werden wird und daß sie maßgeblich zur Reduktion der Inflation im wissenschaftlichen Zeitschriftenwesen beitragen wird. Ich bin mir sicher, daß das Konzept von NJOP dem Bedürfnis der heranwachsenden Generation von Physikern und Naturwissenschaftlern nach einem modernen Publikationswesen gerecht wird. Schon deshalb haben wir die Verpflichtung große Anstrengungen zu unternehmen das Projekt zu realisieren. Ich rufe die Mitglieder der DPG dazu auf, in NJOP zu publizieren! Fragen Sie in der DPG-Geschäftsstelle nach den Anfangsregeln für die article charges.

Im übrigen begrüße ich gemeinsam mit vielen gleichgesinnten Kollegen die angestrebte partielle Verlagerung der überproportionalen Konzentration physikalischer Originalpublikationen nach Europa. Dieses Ziel verfolgt nicht nur NJOP sondern auch die Fusion der Zeitschrift für Physik mit dem Journal de Physique zum European Physical Journal. In die Verhandlungen zu dieser Fusion wurde die DPG nicht rechtzeitig vor Abschluß des Vertrags einbezogen. Ich wünsche beiden Zeitschriften, daß sie Kondensationskeime für anspruchsvolle europäische Physikalische Zeitschriften werden mögen und daß wir Physiker damit demonstrieren können, daß wir die Zukunft nicht verschlafen haben.

Zur Beurteilung der Zukunft unserer Absolventen hat der Arbeitskreis Optionen für die Zukunft (AKO) erstmals eine Berufsumfrage initiiert, die mit vereinten Kräften ausgewertet wurde (vgl. Physik-Handbuch 1998, S. 54 ff und eine demnächst von Herrn Sixl verfaßte, demnächst erscheinende Auswertung). Die Ergebnisse dieser Umfrage erlauben erstmals quantitative Aussagen über das sehr breite Spektrum der beruflichen Tätigkeiten unserer Absolventen. Ich kann die Lektüre sehr empfehlen und bedanke mich bei dieser Gelegenheit für die Arbeit von Herrn Sixl im Vorstand.

Nach wie vor unbefriedigend sind in der DPG auch aus der Sicht des ausgeschiedenen Präsidenten ihre Beziehungen zu den Physiklehrern in den allgemeinbildenden Schulen, zu den Physikern in den Fachhochschulen, zu den Physikern in der Industrie und zur allgemeinen Öffentlichkeit. Es existieren allerdings hoffnungsvolle Ansätze. Aber dennoch ist es mein Wunsch, daß diese Beziehungen intensiviert werden und zwar primär nicht um der DPG mehr Mitglieder zu verschaffen, sondern weil ich überzeugt davon bin, daß diese Beziehung zum Abbau der Abneigung großer Teile unserer Bevölkerung gegen Naturwissenschaft und Technik führen kann. Vielleicht kann eine vorsichtige Vergrößerung des Vorstands im Rahmen der derzeit geplanten Satzungsänderung einen Weg öffnen auch in dieser Richtung mehr zu erreichen. Z.B. sollten wir noch einmal zur Bildung von Ortsverbänden aufrufen. Sie werden von der Geschäftsstelle unterstützt! Wir sollten uns auch ein Vorbild am APS–Präsidenten Allen Bromley nehmen, der Herrn Bradshaw, Herrn Häselbarth und mir anläßlich des "Gipfeltreffens" im vergangenen Herbst in Washington erläutert hat, daß und wie die Regierung der USA die Wissenschaft wesentlich stärker fördern wird (vgl. Phys. Bl. 53 (1997) 1185 ff.).

Zum Schluß bedanke ich mich bei Herrn Danielmeyer für seine langjährige Tätigkeit in der DPG und insbesondere für seine Initiativen und Hilfen bei der Realisierung des Magnus-Hauses als unser Haus in Berlin und bei der Neustrukturierung der Geschäftsstelle. Herrn Reineker danke ich für seine enorme Arbeitsleistung im Vorstand und als Sprecher der Konferenz der Fachbereich Physik. Den Herren Peschel und Bradshaw danke ich für die Herausgabe des Physik-Handbuchs, das schon kurz nach seinem Erscheinen von vielen Mitgliedern gelobt und als wertvoll bezeichnet wurde. Unseren Förderern, allen voran der Dr. Wilhelm Heinrich Heraeus und Else Heraeus-Stiftung danke ich für ihre langjährige Treue im Namen aller Mitglieder. Meinem Nachfolger im Amt des Präsidenten, Herrn Professor Alexander Bradshaw wünsche ich viel Erfolg und Freude bei der Ausübung seines Amts. Ich bin überzeugt davon, daß beides nicht ausbleiben wird.

Prof. Dr. Markus Schwoerer
Präsident

 

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