WE-Heraeus-Arbeitstreffen: Physik in der Grundschule / Physik im Fach Naturwissenschaften
Physik in der Grundschule / Physik im Fach Naturwissenschaften
- Date:
- Mo, 19.11.2007 12:30 – Fr, 23.11.2007 12:45
- Speaker:
- Hilde Köster, U Münster; Volkhard Nordmeier, FU Berlin
- Address:
- Physikzentrum Bad Honnef
Hauptstr. 5, 53604 Bad Honnef, Germany
- Language:
- Deutsch
- Event partner:
- Wilhelm and Else Heraeus-Foundation
Description
Physikalische und technische Inhalte werden im Sachunterricht der Grundschule nur sehr selten thematisiert und eine ähnliche Entwicklung droht dem Fach Naturwissenschaften, das derzeit in vielen Bundesländern für die Klassenstufen 5-6/7 eingeführt wird. Die Gründe dafür sind vielfältig (s.u.) und es ist dringend geboten, dieser Entwicklung gegenzusteuern.
Das Heraeus-Arbeitsreffen „Physik in der Grundschule und im Fach Naturwissenschaften“ richtete sich an Referendare und Studierende des Faches ‚Sachunterricht' und die Fächerverbünde ‚Naturwissenschaften' (Klassenstufen 5-6), Natur und Technik (Klassenstufen 5-7), naturwissenschaftliches Arbeiten/ Naturphänomene (Klassenstufe 5-7), also an angehende Grundschullehrerinnen und -lehrer sowie PhysiklehrerInnen, die später in den Klassenstufen 5-7 unterrichten werden.
Inhaltlich ging es um die Vermittlung von physikalischen, technischen und chemischen Themen in den genannten Klassenstufen. Dazu fanden sowohl Vorträge zu fachspezifischen Inhalten und didaktisch-methodischen Ansätzen als auch Workshops, in denen sich die TeilnehmerInnen aktiv mit Phänomenen und Experimenten befassen konnten, statt.
Problemstellung
Untersuchungen zeigen, dass physikalische, technische und chemische Inhalte im Sachunterricht wenig thematisiert werden. Der naturwissenschaftliche Anteil des Sachunterricht wird hauptsächlich mit biologischen und geografischen Themen bestritten. Selbst dann, wenn physikalische, chemische oder technische Themen im Lehrplan ausgewiesen sind, gibt es eine Eigendynamik, die sich zugunsten biologischer Inhalte auswirkt.
Die Gründe dafür sind zahlreich. Physik ist z.B. noch immer ein klassisch ‚männliches‘ Fach, Frauen wählen physikalische oder technische Fachgebiete selten zum Beruf. Auch der Anteil an Lehrerinnen, die den naturwissenschaftlichen Lernbereich des Sachunterrichts studieren, ist gering. Da es in der Grundschule mit ca. 85 % aber vor allem Frauen sind, die unterrichten, könnte man annehmen, dass eine Vernachlässigung dieses Themengebiets durch den Überhang an Lehrerinnen begründet sein kann. Diese Vermutung wird gestützt durch Untersuchungen, die belegen, dass Lehrerinnen ein deutlich geringeres Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Themen haben als ihre männlichen Kollegen.
Ein weiterer Grund für die Nichtaufnahme physikalischer Inhalte liegt aber auch in der Ausbildungspraxis. So war es bislang beispielsweise an vielen Standorten möglich, die Lehrbefähigung für das Fach Sachunterricht zu erwerben, ohne Lehrveranstaltungen des naturwissenschaftlich-technischen Lernbereichs besucht zu haben. Die Zweiteilung des Studienfaches in Sozialwissenschaften und Naturwissenschaft/Technik bewirkt aber auch heute, da vielerorts im Studium der jeweils andere Bereich in geringem Umfang berücksichtigt wird, dass ein erheblicher Teil der Sachunterrichtslehrerinnen und -lehrer für einen Teilbereich des Unterrichtsfaches nur unzureichend ausgebildet werden. (Leider ist dies ganz überwiegend der naturwissenschaftliche Teil.) Viele Sachunterrichtslehrerinnen und -lehrer in der Grundschule unterrichten fachfremd, sind für dieses Schulfach also überhaupt nicht ausgebildet.
Für das neue Schulfach ‚Naturwissenschaften' stellt sich die Lage eher noch prekärer dar, denn es wurde bislang noch in keinem Bundesland ein Studiengang geschaffen, der eine Ausbildung für dieses Fach vorsieht.
In der Literatur zum Problemfeld des naturwissenschaftlichen und technischen Unterrichts finden sich nur wenige Befunde darüber, welche Motive bei den Lehrerinnen und Lehrern für die Nichtrealisation physikalischer Inhalte im Sachunterricht vorliegen. Die Ergebnisse von Untersuchungen zum Sachunterricht legen nahe, dass es oft die persönlichen Einstellungen der Lehrerinnen und Lehrer sind, die eine Vermeidungshaltung gegenüber physikalischen und technischen Inhalten hervorrufen. So werden mangelnde Erfahrungen, fehlende Kompetenzen und Frustrationserlebnisse im eigenen Physikunterricht häufig als Ursache für die Vermeidung physikalischer Inhalte angegeben.
Die Praxis zeigt aber, dass Lehrerinnen, die positive Erfahrungen mit Phänomenen und Experimenten machen, die Vermeidungshaltung gegenüber physikalischen Inhalten aufgeben und eine positivere Einstellung gegenüber dem Fach gewinnen.
Für das Fach Naturwissenschaften wird befürchtet, dass der Überhang an Biologielehrern dazu führen könnte, dass die Physik in diesem Fach vernachlässigt wird.
Wenn man bedenkt, dass Interessen und Haltungen sehr häufig in der Kindheit angelegt werden, wird es offenbar, welche Chancen hinsichtlich der Physik, aber auch der Chemie und der Technik vergeben werden, wenn diese Inhalte in der Grundschule zu wenig thematisiert werden.
Seminarprogramm
Die Bedeutung eines persönlichen Interesses und des Abbaus von Hemmschwellen bei den Lehrkräften gegenüber Physik, Technik und Chemie wurde in vielen Untersuchungen bestätigt. Aus diesem Grund haben wir ein Seminarprogramm entworfen, dass es Studierenden und angehenden Lehrerinnen und Lehrern ermöglichte, positive Erfahrungen mit physikalischen, chemischen und technischen Phänomenen zu sammeln und zu lernen, sich in neue Bereiche eigenständig einzuarbeiten. Hier waren besonders diejenigen angesprochen, die während ihres Studiums kaum Kontakt mit naturwissenschaftlichen Inhalten und wenig Gelegenheit zum Experimentieren hatten.
Den TeilnehmerInnen wurden in interessanten Vorträgen und Workshops unterschiedliche Inhalte angeboten (s.u.). Den Workshops gingen einführende Vorträge zum Thema voraus, andere gaben Anregungen bezüglich spannender und bedeutsamer physikalischer, technischer und chemischer Unterrichtsinhalte. Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit, selbst zu experimentieren und erhielten Hinweise, wie sie sich mit Hilfe verschiedener Medien und Informationsquellen in (für sie) neue Inhaltsgebiete erfolgreich einarbeiten können. Unterrichtsideen und -materialien wurden vorgestellt.
Eingeladen waren junge Lehrerinnen und Lehrer, Referendare und Studierende des Sachunterrichts. Sie stellten ihre Arbeiten und Erfahrungen in den Workshops und in der Postersitzung vor, diskutierten mit den andren TeilnehmerInnen und berichteten über Erfahrungen mit physikalischen, technischen und chemischen Unterrichtsinhalten.
Als Vortragende waren neben DidaktikerInnen auch Wissenschaftler eingeladen, die fachphysikalische und weitere naturwissenschaftliche Inhalte (mit den nötigen didaktischem Einfühlungsvermögen für die spezielle Zielgruppe) präsentierten, um nachhaltige Interessen bei den Teilnehmern zu wecken.