01.01.1999

Pressemitteilung

der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Laserblitz läßt Atomkerne verschmelzen

Wenn von der Elementarteilchenphysik oder der Erforschung der Kernfusion die Rede ist, denkt man meist an gigantische Beschleuniger und Versuchsanlagen, deren Kosten in die Milliarden gehen. Doch diese Großforschung könnte bald preiswerte Konkurrenz im Labormaßstab erhalten. Extrem leistungsfähige Laser erlauben schon heute, Elektronen auf Geschwindigkeiten zu bringen, wie sie früher nur mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern erreicht werden konnten. Die dabei auftretenden Temperaturen reichen aus, um Atomkerne miteinander zu verschmelzen, wie Georg Pretzler vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching auf der Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, die vom 15.-19. März in Heidelberg stattfindet, berichtet.

Auf den ersten Blick scheint es kaum möglich zu sein, mit Hilfe eines Lasers, der auf einen Labortisch paßt, Materie in einen so extremen Zustand zu bringen, wie er im Innern der Sterne herrscht. Dazu muß man das Laserlicht sehr stark bündeln. Dies ist Pretzler und seinen Kollegen mit einem Laser gelungen, der äußerst kurze Lichtpulse abgibt: Die Länge eines Pulses entspricht ungefähr der Dicke eines menschlichen Haares! Der Pulsdurchmesser hingegen ist zunächst größer als ein Fünfmarkstück. Mit einem vergoldeten Hohlspiegel wird das Laserlicht dann aber so stark fokussiert, daß die Breite der Lichtpulse schließlich sogar noch kleiner ist als ihre Länge. Die in einem derart konzentrierten Lichtpuls auftretenden elektromagnetischen Felder sind so stark, daß sie einem vom Puls getroffenen Atom augenblicklich alle Elektronen entreißen.

Trifft der fokussierte Laserstrahl auf Materie, so bildet sich ein Schlauch aus heißem Plasma, also Atomkernen und frei umherfliegenden Elektronen, die sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Was sich dann abspielt, kann nur im Rahmen von Einsteins Relativitätstheorie verstanden werden. Die relativistische Bewegung der Elektronen führt dazu, daß das Laserlicht noch stärker fokussiert wird. Dadurch wiederum werden die Elektronen auf noch größere Geschwindigkeit gebracht. Wie Präzisionsmessungen in Garching ergeben haben, fliegen die Elektronen schließlich in Richtung des Laserstrahls davon, als kämen sie aus einem Teilchenbeschleuniger. Treffen die Elektronen auf Materie, so entstehen im Takt des pulsierenden Laserlichts Blitze von Gammastrahlen, die von Pretzler und Mitarbeitern ebenfalls beobachtet wurden.

Hinter dem vorbeifliegenden Lichtpuls explodiert der Plasmaschlauch und die ionisierten Atome werden enorm beschleunigt. Ist im Plasma das schwere Wasserstoffisotop Deuterium enthalten, so reicht die Energie der Ionen aus, Deuteriumkerne paarweise miteinander zu verschmelzen. Dabei entstehen jeweils ein Heliumkern und ein Neutron. Die Wissenschaftler haben auch die Neutronen eindeutig nachweisen können. Wie sich herausstellte, entstehen bei diesem Experiment durch jeden Laserpuls fast 10000 Neutronen. Mit aufwendigen Computerberechnungen wurden diese komplexen Vorgänge nachgebildet, um sie im Detail besser verstehen zu können.

Als Fernziel seiner Arbeit nennt Pretzler die Entwicklung von laser-getriebenen Strahlungsquellen mit hoher Intensität und sehr kurzer Pulsdauer. Sie könnten zumindest für einige Aufgaben aus dem Bereich der Kernphysik die derzeit benutzten Großanlagen wie Synchrotons und Reaktoren ersetzen. Insbesondere eine gepulste Neutronenquelle und ein kompakter Elektronenbeschleuniger stehen auf Pretzlers Wunschliste.

Weitere Informationen:

Dr. Georg Pretzler
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Str. 1
D - 85748 Garching
Tel.: 089-32905-723
Fax: 089-32905-200
E-Mail:

Prof. Dr. Klaus Wandelt
Institut für Physikalische Chemie
Universität Bonn
Tel.: 0228 732253
Fax : 0228 732515
E-Mail:

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