Pressemitteilung
der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Formen erfassen mit Licht
Neue 3D-Sensoren an der Grenze des physikalisch Möglichen / Vielfältige Anwendung in Industrie und Medizin
Die automatische Formerfassung mit Licht spielt in der industriellen Fertigung und Qualitätssicherung eine entscheidende Rolle. Ihre Aufgabe besteht darin, die geometrische Gestalt ("Form") von Bauteilen berührungslos zu vermessen oder beispielsweise zu prüfen, wo das Objekt liegt, ob eine Bohrung vorhanden oder eine Platine vollständig bestückt ist. Ebenso wichtig sind dreidimensionale Bilder in der Medizin: In der Dermatologie, der Orthopädie oder Kieferchirurgie helfen sie dem Arzt, Diagnosen zu stellen und passende Prothesen anzufertigen. Der Genauigkeit dieser bildgebenden Verfahren sind eine Reihe physikalischer Grenzen gesetzt, die bislang allerdings nicht ausgereizt wurden. Physiker der Universität Erlangen-Nürnberg haben nun erstmals 3D-Sensoren entwickelt, deren Leistungsfähigkeit bis an die Grenzen des physikalisch Möglichen geht. Hierüber berichtet Prof. Gerd Häusler im Rahmen eines Symposiums "Angewandte Optik" auf der Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vom 15. - 19. März in Heidelberg.
Zur Zeit ist eine verwirrende Vielfalt optischer Sensoren auf dem Markt. Unabhängig von den technischen Ausprägungen sind für den Anwender die zugrundeliegenden Meßprinzipien entscheidend. Glücklicherweise gibt es nur drei verschiedene Grundprinzipien. Bei der vergleichsweise unkomplizierten Triangulation wird die Probe mit einem Streifenmuster aus Licht und Schatten beleuchtet. Eine Kamera nimmt das Bild aus einer anderen Richtung auf. Aus den Orten der Streifen wird durch Triangulation der Abstand der beleuchteten Objektpunkte berechnet. So läßt sich die Form eines Objektes durch Abtasten erfassen.
Die Triangulation eignet sich vorwiegend für diffus reflektierende Oberflächen wie gefräste Werkstücke oder Kunststoffe. Leider nimmt die Meßunsicherheit mit zunehmendem Arbeitsabstand zu. Weil das Verfahren aber vergleichsweise unkompliziert ist und schnelle Messungen ermöglicht, haben die Erlanger Physiker eine auf diesem Meßprinzip basierende "3D-Echtzeitkamera" gebaut. Mit der vielseitig anwendbaren Kamera werden derzeit bereits Leiterplatten geprüft. Ein vollständiges dreidimensionales Bild wird dabei in nur 320 Millisekunden erstellt.
Ein anderes Beispiel ist die Zahnmedizin: Nachdem Gipsabgüsse vom Gebiß mit großer Genauigkeit wiedergegeben werden können, wollen die Erlanger Physiker das Verfahren nun gemeinsam mit Zahnärzten und der Industrie für Messungen direkt im Mund erproben. Sie hoffen, daß so Abdrücke in Zukunft überflüssig werden, da Zahntechniker sich direkt an den gemessenen 3D-Daten orientieren könnten. Ein Programmpaket, das Daten aus optischen 3D-Meßsystemen automatisch zu Flächen aufbereitet, hat der Erlanger Lehrstuhl für Optik bereits entwickelt und vertreibt es mit einer der Firma.
Wesentlich genauer als die Triangulation ist die von Albert Michelson vor mehr als 100 Jahren entwickelte Interferometrie. Dabei wird der Lichtstrahl zunächst durch einen halb durchlässigen Spiegel aufgeteilt. Während der Meßstrahl auf die Probe gelenkt und dort reflektiert wird, trifft der Referenzstrahl auf einen Spiegel und wird ebenfalls zurückgeworfen. Nach diesem "Wettlauf" auf unterschiedlich langen Strecken überlagern sich die beiden Strahlen zu einem sogenannten Interferenzmuster, ähnlich den Wellen auf einem See. Dabei ändert sich das Muster bereits bei der kleinsten Unebenheit oder Rundung in der Oberfläche der Probe und ermöglicht damit Rückschlüsse auf deren Beschaffenheit. Diese Methode war jedoch bis vor einiger Zeit auf spiegelnde Flächen beschränkt.
Die Erlanger Physiker um Prof. Gerd Häusler haben das Prinzip der Interferometrie auch für "optisch rauhe" Oberflächen andwendbar gemacht. Der Name des Verfahrens, "Kohärenzradar", deutet an, daß es sich um einen "Radar mit Licht" handelt. Nachdem das Meßprinzip in den vergangenen zehn Jahren erforscht wurde, sind jetzt die ersten Geräte auf dem Markt. Sie ermöglichen es, sowohl glatte als auch rauhe Oberflächen mit einer bisher unerreichten Genauigkeit (bei rauhen Oberflächen etwa ein Mikrometer) zu vermessen. Einige Meßobjekte aus der industriellen Praxis sind Turbinenschaufeln, Einspritzdüsen, Sandpapier, elektronische Schaltkreise, Dichtungsringe und Keramik.
Auch in der Medizin eröffnen sich mit dem "Kohärenzradar" neue Möglichkeiten. Beispielsweise läßt sich damit die Haut nicht nur an der Oberfläche abtasten, sondern auch in bis zu einem Millimeter darunter liegenden Schichten. Hautärzte können auf diese Weise die Wirkung von Kosmetika besser untersuchen. Auch krankhafte Veränderungen der Haut lassen sich äußerst genau erfassen und in ihrem zeitlichen Verlauf beobachten. Darüber hinaus ist es möglich, Haare zu analysieren und Hautatlanten zu erstellen, die der Vorbereitung auf eine Transplantation dienen.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Gerd Häusler
Lehrstuhl für Optik der Universität Erlangen-Nürnberg
Tel.: 09131 85-28382
Fax.: 09131 13508
E-Mail:
Prof. Dr. Klaus Wandelt
Institut für Physikalische Chemie der Universität Bonn
Tel.: 0228 732253
Fax.: 0228 732515
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Die Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V. (DPG), deren Tradition bis in das Jahr 1845 zurückreicht, ist die älteste nationale und mit über 62.000 Mitgliedern auch größte physikalische Fachgesellschaft der Welt. Als gemeinnütziger Verein verfolgt sie keine wirtschaftlichen Interessen. Die DPG fördert mit Tagungen, Veranstaltungen und Publikationen den Wissenstransfer innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft und möchte allen Neugierigen ein Fenster zur Physik öffnen. Besondere Schwerpunkte sind die Förderung des naturwissenschaftlichen Nachwuchses und der Chancengleichheit. Sitz der DPG ist Bad Honnef am Rhein. Hauptstadtrepräsentanz ist das Magnus-Haus Berlin. Website: www.dpg-physik.de