der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
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Fortschritt für die Mikroelektronik:
Haftvermögen von Silberatomen auf Polymeren erstmals exakt bestimmt
Durch eine neuartige Radio-Indikator-Methode ist es Forschern der Universität Kiel erstmals gelungen, das Haftvermögen von Silber-Atomen auf Polymeren exakt zu messen. Die Ergebnisse haben eine große Bedeutung sowohl für die Mikroelektronik als auch für die Grundlagenforschung. Seit der Veröffentlichung der Studie in den "Physical Review Letters" werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Franz Faupel international diskutiert.
Die Forscher bedampften verschiedene Polymere mit radioaktiv markiertem Silber und bestimmten den sogenannten Kondensations-Koeffizienten. Dieser ist ein Maß für das Haftvermögen des Metalls auf dem Substrat - er gibt das Verhältnis wieder zwischen der Anzahl adsorbierter Atome zu der Gesamtzahl der Atome, die auf die Oberfläche treffen. Bei Raumtemperatur liegt der Kondensations-Koeffizient für Polyimid nahe bei 1, für Teflon AFTM bei lediglich 0,002. Somit bleiben von 1000 einfallenden Silber-Atomen lediglich zwei an der Teflon-Unterlage "kleben". Wieso das Haftvermögen von Polymer zu Polymer so deutlich schwankt, ist noch ungeklärt. Die Kieler Arbeitsgruppe konnte nun zeigen, dass die Metall-Atome an "bevorzugten Stellen" der Probe adsorbieren. Hierbei könnte es sich um bestimmte chemische Gruppen oder lokale Verunreinigungen handeln. Zurückgestreute Atome werden vorübergehend an das Substrat gebunden und bewegen sich während dieser Zeitspanne zufällig entlang der Polymer-Oberfläche, dies folgt aus dem Temperaturverlauf des Kondensations-Koeffizienten und der Winkelverteilung reflektierter Atome. Die Studie von Axel Thran, Michael Kiene, Vladimir Zaporojtchenko und Franz Faupel erschien jetzt in "Physical Review Letters" (Bd. 82, S.1903).
Metallfilme auf einer Polymer-Oberfläche haben eine große Bedeutung für die Mikroelektronik, denn bei der Kontaktierung und Isolierung von Schaltungen treffen Metall und Polymer aufeinander. Polyimid wird bereits heute in der Mikro-Elektronik eingesetzt, Teflon AFTM ist als zukünftiger Isolator im Gespräch.
Ein Verbund solch ungleicher Partner - Metall und amorph-organischer Festkörper - ist darüber hinaus für die Grundlagenforschung interessant. Die Variation des Haftkoeffizienten auf verschiedenen Polymeren deutet auf einen Zusammenhang zwischen makroskopischer Benetzbarkeit und atomarer Kondensation hin. Für Polycarbonat konnten die Kieler Forscher zeigen, dass die Adsorption der Silber-Atome an "ausgewählten Stellen" des Substrats stattfindet. Noch ungeklärt ist die mikroskopische Natur dieser besonders reaktiven Bereiche der Polymer-Oberfläche. Dass es für die Adsorption bevorzugte Plätze gibt, darauf weisen verschiedene Befunde hin: So nimmt das Haftvermögen zu, wenn zunächst - durch Ionenbeschuss - die Defektdichte auf der Polymer-Probe vergrößert wird. Ferner ist das Haftvermögen von der Aufdampfrate unabhängig, es spielt keine Rolle, wie viele Atome pro Sekunde die Polymer-Oberfläche erreichen. Ein Hinweis darauf, dass das Haften nicht durch das Zusammentreffen von Silberatomen initiiert wird. Als Keime des Filmwachstums dienen vielmehr "Fallen" auf dem Polymer-Substrat. Hierbei könnte es sich um bestimmte chemische Gruppen oder lokale Verunreinigungen handeln.
Das Haftvermögen aller Polymeren sinkt, wenn die Temperatur erhöht wird. Besonders auffällig ist dieses Verhalten bei Polyimid: Zwischen 300 und 400°C - im Bereich des Glas-Übergangs - nimmt der Kondensations-Koeffizient von etwa 0,8 auf weniger als 0,2 ab. Am Glas-Übergang steigt die Beweglichkeit der Polymer-Moleküle, da der organische Festkörper in einen zähflüssigen Zustand übergeht. Wie man am Abfall des Kondensations-Koeffizienten erkennt, so die Kieler Forscher, "spüren" die auftreffenden Silber-Atome etwas von dieser Dynamik. Die Atome prallen auch nicht unmittelbar von der Oberfläche ab, sondern werden vielmehr vorübergehend gebunden. Die Richtung reflektierter Atome ergab das gleiche Bild: Während der kurzen Zeitspanne zwischen Auftreffen und Ablösen bewegen sich die Metall-Atome zufällig entlang der Polymer-Oberfläche. Dadurch geht ihre "Erinnerung" an die Einfallsrichtung und den Ort des Auftreffens verloren.
Die Experimente der Kieler Forschergruppe vermitteln einen Einblick in das frühe Wachstum von Metallfilmen auf organischen Oberflächen. Möchte man die Eigenschaften der Metall-Polymer-Grenzfläche untersuchen und gezielt beeinflussen, dann sind solche Studien des frühen Filmwachstums wichtig, so Franz Faupel, Vorsitzender der AG Metallphysik (AGM) in der DPG. Bei dicken Filmen verliert sich der Einfluss der Grenzfläche: Mit zunehmender Bedeckung des Substrats steigt der Kondensations-Koeffizient an und nähert sich 1 - wie man es für den Niederschlag von Metall auf Metall erwartet.
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V. (DPG), deren Tradition bis in das Jahr 1845 zurückreicht, ist die älteste nationale und mit über 62.000 Mitgliedern auch größte physikalische Fachgesellschaft der Welt. Als gemeinnütziger Verein verfolgt sie keine wirtschaftlichen Interessen. Die DPG fördert mit Tagungen, Veranstaltungen und Publikationen den Wissenstransfer innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft und möchte allen Neugierigen ein Fenster zur Physik öffnen. Besondere Schwerpunkte sind die Förderung des naturwissenschaftlichen Nachwuchses und der Chancengleichheit. Sitz der DPG ist Bad Honnef am Rhein. Hauptstadtrepräsentanz ist das Magnus-Haus Berlin. Website: www.dpg-physik.de