20.03.2003

Pressemitteilung

der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Neues aus Physik und Hightech

Dresden erwartet über 3.000 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus aller Welt

Molekulare Computer, intelligente Beschichtungen, Internetkommunikation, moderne Leuchtsysteme, der "Vogelkompass", Panikmassen und Börsenkurse - verschiedenste Themen aus Forschung, Gesellschaft und Technik stehen im Mittelpunkt einer Frühjahrstagung der Deutschen Physikalische Gesellschaft (DPG), die vom 24. bis 28. März 2003 an der TU Dresden stattfindet. Zum weltweit zweitgrößten Kongress mit dem Schwerpunkt "Festkörperphysik" reisen mehr als 3.000 Fachleute aus Europa und Übersee in die Stadt an der Elbe. In Dresden ebenfalls vertreten ist der Arbeitskreis "Physik sozio-ökonomischer Systeme". Deshalb zählen auch die Stauforschung sowie die Analyse der Finanzmärkte mit Methoden der Physik zu den Themen, die auf der Tagung diskutiert werden. Eine Jobbörse, Lehrerfortbildungen und ein öffentlicher Abendvortrag runden das Programm ab.

Der US-Amerikaner John Clarke (University of California, Berkeley) eröffnet die Tagung mit einem Plenarvortrag über SQUIDs. Das Kürzel steht für ein Klasse von Messfühlern, die selbst schwächste Magnetfelder aufspüren. Mit SQUIDs lassen sich beispielsweise Bewegungsstudien an magnetotaktischen Bakterien vornehmen. Ein neuartiger SQUID-Detektor soll sogar der "Dunklen Materie" zu Leibe rücken.

Hochleistungscomputer im Taschenformat verspricht sich die Forschung von molekularen Schaltkreisen. Konventionelle, mikroskopische Bauteile sollen Platz machen für noch kleinere, so genannte nanoskopische Komponenten. Auf der CEBIT wird man sie allerdings vergeblich suchen, denn erste Schaltungen dieser Art sind gerade erst im Labor entstanden. Bei ihrer Herstellung kam insbesondere das so genannte Tunnelmikroskop zum Einsatz, mit dessen Hilfe sich einzelne Atome fast wie Mühlesteine auf einem Spielbrett arrangieren lassen. Einblick in solche Experimente gibt der Plenarvortrag des IBM-Forschers Andreas Heinrich am Freitag, dem 28. März.

Der Sprung von der Mikro- in die tausendfach kleinere Nano-Dimension - ein Nanometer entspricht einem milliardstel Meter - erfordert nicht nur neuartige Fertigungstechniken. Er geht einher mit neuen physikalischen Effekten, denn der Ladungstransport in molekular gestrickten Schaltkreisen lässt sich kaum anhand des alt gedienten Ohm'schen Gesetzes verstehen. Zwängen sich Elektronen durch Kohlenstoff-Nanoröhren (Plenarvortrag des Japaners Tsuneya Ando am 26. März) oder metallische Nanodrähte (Symposium am 28. März) dann regiert die Quantenphysik das Geschehen. Die Phänomene, die hier eine Rolle spielen, werden unter anderem im Rahmen des Symposiums "Quantendekohärenz in der Festkörperphysik" (25. März) diskutiert. Im Umfeld dieser Thematik ist auch das Stichwort "Quantencomputer" angesiedelt, dem das Symposium "Verarbeitung von Quanteninformation in kondensierter Materie" am Montag, dem 24. März, gewidmet ist.

Die elektrische Glühbirne ist mittlerweile über 100 Jahre alt und aus unserem Leben nicht wegzudenken. Dabei hat sie einen entscheidenden Nachteil: sehr genügsam ist sie nicht. Die eingespeiste Energie wird größtenteils nicht in Licht umgesetzt, sondern als Wärme "verbraten". Viel effektiver arbeiten Licht emittierende Dioden (LEDs), die uns seit Jahren insbesondere aus Fahrzeug-Cockpits entgegenblinken. Jenseits des Daseins als bloße Kontrollleuchte wird den LEDs auch als normaler Lichtspender eine strahlende Zukunft vorausgesagt. Aktuelle Entwicklungen beleuchtet der Plenarvortrag von Roland Haitz (Agilent Technologies) am Dienstag, dem 25. März.

Die Biophysik - von der Gehirnforschung bis hin zum "Vogelkompass" - ist in Dresden ebenfalls ein Thema. In den Fachsitzungen über "Statistische Physik in biologischen Systemen" am 24. März geht es unter anderem um zelluläre Transportschleusen (Ionenkanäle) und die so genannten Flagellen - bewegliche Anhängsel, die zum Beispiel Spermien vorantreiben. Mit Fragestellungen der Neurologie befassen sich mehrere Vorträge unter dem Leitthema "Synchronisation" am 27. März. Molekulare Motoren stehen im Mittelpunkt des Symposiums "Bio- und Makromoleküle bei der Arbeit" am 26. März. Darüber hinaus unternimmt die Tagung einen Exkurs ins Tierreich: "Wie orientieren sich Vögel anhand des Erdmagnetfelds?", Antworten darauf gibt Wolfgang Wiltschko (Universität Frankfurt) in einem Vortrag am 27. März.

Reinheitsfanatiker sollten sich das Symposium "Optische Beschichtungen" am Dienstag, dem 25. März, vormerken. Dort geht es unter anderem um selbstreinigende Oberflächen.

Weitere Einblicke in die Festkörperphysik geben Beiträge über Supraleitung, magnetische Flüssigkeiten (Vortrag "black & mag(net)ic" am 25. März), Polymere, Kolloide und viele weitere Themen. So wird das Labor für gepulste Magnetfelder am Forschungszentrum Rossendorf, ein Großforschungsprojekt, das erst kürzlich vom Bundesforschungsministerium bewilligt wurde, im Rahmen eines Vortrags am 26. März vorgestellt.

Kollektive Phänomene - ob Verkehrsfluss, Aktienkurse oder Panikströme - stehen im Blickpunkt des Arbeitskreises "Physik sozio-ökonomischer Systeme" (AKSOE), der am Tagungsprogramm mit zahlreichen Vorträgen beteiligt ist. In dieses Fachgebiet fällt auch der Plenarvortrag "Social dilemmas and information networks: a physics approach" von Bernardo Hubermann (HP Labs, USA) am Montag, dem 24. März. Unter dem Titel "Physicists attempt to scale the ivory towers of finance" gibt J. Doyne Farmer (Santa Fe Institute, USA) am 25. März eine Übersicht in Sachen Ökonophysik. Direkt im Anschluss verleiht der AKSOE den "Young-Scientist Award for Socio- and Econophysics". Dieser internationale Nachwuchspreis ist mit 5.000 Euro dotiert, gestiftet von der Unternehmensberatung McKinsey & Company.

"Kommunikation" lautet der Schwerpunkt des Industrietages, den der DPG-Ausschuss "Industrie und Wirtschaft" am Donnerstag, dem 27. März, ausrichtet. Die Vorträge drehen sich unter anderem um digitale Audiotechnik, die Zahlung per Mobilfunk, die Fernwartung von Kraftfahrzeugen und Internetkommunikation. Ein weiteres Thema ist die ultraschnelle Datenübertragung. So ist es Münchner Forschern gelungen, elektronische "CMOS-Schaltungen" für einen Datenumsatz von 40 Gigabit pro Sekunde zu entwickeln. Bei solchen Bitraten nimmt die Übertragung eines 90-minütigen Videofilms gerade mal eine Sekunde in Anspruch.

Auf einer Festsitzung am Mittwoch, dem 26. März, ehrt die DPG Jurgen H. Smet für seine herausragende wissenschaftliche Arbeit: Der gebürtiger Belgier erhält den Walter-Schottky-Preis für Festkörperforschung. Die Auszeichnung wird von der Siemens AG und Infineon Technologies gefördert und ist mit 15.000 Euro dotiert. Den Festvortrag "Die Angst vor der Wissenschaft - Zum Bild des Physikers in der Literatur" hält Wolfgang Frühwald, Präsident der Alexander von Humboldt Stiftung.

Nach dem negativen Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei der internationalen PISA-Studie schrillen hierzulande die Alarmglocken: um Lesen und Schreiben, Mathematik und Naturwissenschaften ist es in deutschen Klassenzimmern nicht zum Besten bestellt. Wie lässt sich insbesondere der Physik-Unterricht effektiver und attraktiver gestalten? Denkanstöße bieten die so genannten Lehrertage am 28. und 29. März. Im Rahmen dieser kostenfreien Fortbildung können sich Lehrerinnen und Lehrer über aktuelle Schwerpunkte der Festkörperforschung, der Astro- und der Teilchenphysik informieren. Auch Schülerinnen und Schüler der Oberstufe sind herzlich willkommen. Zum Programm zählt auch der Vortrag "Lernen durch Experimentieren". Referent ist Manfred Euler, Leiter der Abteilung "Didaktik der Physik" am Kieler Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften.

Neben zahlreichen Fachvorträgen bietet die Tagung den öffentlichen Abendvortrag "Von der Elle zur Atomuhr". Ernst Otto Göbel, Präsident der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, erzählt dabei die Geschichte des Längenmaßes. Der Vortrag beginnt am Mittwoch, dem 26. März, um 20:00 Uhr im Audimax der TU Dresden (Hörsaalzentrum, Bergstraße 64). Der Eintritt ist frei. Zum öffentlichen Begleitprogramm zählt ferner die Kunstaktion "Grenzflächen - ästhetische Aspekte der Physik". Zu bestaunen gibt es ungewöhnliche Impressionen aus der Physik in Form von Großflächenprojektionen.

Im Rahmen der Tagung findet eine Pressekonferenz statt, zu der Journalistinnen und Journalisten herzlich eingeladen sind. Termin und Ort:
Mittwoch, 26. März 2003, 13:00 Uhr (im Anschluss an die Festsitzung)
TU Dresden/Hörsaalzentrum
Seminarraum 101 (1. OG)
Bergstraße 64

Hinweise im Internet:
www.dpg-physik.de/presse
www.dpg-tagungen.de
www.ifw-dresden.de

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V. (DPG), deren Tradition bis in das Jahr 1845 zurückreicht, ist die älteste nationale und mit über 62.000 Mitgliedern auch größte physikalische Fachgesellschaft der Welt. Als gemeinnütziger Verein verfolgt sie keine wirtschaftlichen Interessen. Die DPG fördert mit Tagungen, Veranstaltungen und Publikationen den Wissenstransfer innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft und möchte allen Neugierigen ein Fenster zur Physik öffnen. Besondere Schwerpunkte sind die Förderung des naturwissenschaftlichen Nachwuchses und der Chancengleichheit. Sitz der DPG ist Bad Honnef am Rhein. Hauptstadtrepräsentanz ist das Magnus-Haus Berlin. Website: www.dpg-physik.de