Press Release
der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Knut Urban ist neuer DPG-Präsident
Jülicher Forscher an der Spitze der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Bad Honnef, 8. April 2004 - Bei einem Festakt im Physikzentrum Bad Honnef hat Prof. Dr. Knut Urban (62) die Präsidentschaft der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) offiziell angetreten. Schwerpunkte seiner Arbeit sieht der neue DPG-Präsident in der Bildungspolitik und in der Kooperation mit Fachgesellschaften aus dem Ausland. Urban ist Professor für Experimentalphysik an der RWTH Aachen und Direktor am Institut für Festkörperforschung des Forschungszentrums Jülich. Er übernimmt die Präsidentschaft von Prof. Dr. Roland Sauerbrey (Universität Jena), der diesen Posten seit 2002 bekleidete und nun in das Amt des Vizepräsidenten wechselt. (Bild: FZJ)
Urban ging in seiner Antrittsrede auf die aktuelle Bildungsdebatte ein: "Wir brauchen diese Diskussion. Auch eine gewisse Zuversicht ist angebracht, dass es zu echten Veränderungen kommt. Bundesweite Schulstandards, globale Universitätshaushalte, Studiengebühren und mehr Wettbewerb und Leistungsbereitschaft sind Themen, die heute mit weit mehr Realitätsbezug diskutiert werden als das früher der Fall war." Der DPG-Präsident betonte, es ginge nicht um "Hauruckaktionen", sondern um "Nachhaltigkeit" in Sachen Bildung und Forschung. Und er plädierte dafür, Bildung nicht allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu werten, sondern als Kulturgut aufzufassen: "Bildung ist nicht nur die Grundlage von Lebensqualität, sie ist selbst Lebensqualität."
Urban kündigte an, die DPG werde sich in Zukunft noch stärker an der politischen Diskussion beteiligen und dabei für eine naturwissenschaftlich orientierte Bildung sowie für Forschung und Technik eintreten. Besonderes Augenmerk gelte dem Schulunterricht sowie der Physik-Ausbildung an den Universitäten. "So haben wir uns vor wenigen Tagen für die Einrichtung eines europäischen Hochschulraumes mit zweistufigen Studiengängen mit Bachelor und Master ausgesprochen", erklärte Urban. Empfehlungen zur Gestaltung des künftigen Physikstudiums werde die DPG nun in Kooperation mit der Konferenz der Fachbereiche Physik erarbeiten.
Der DPG-Präsident nahm auch zur gegenwärtigen Innovationsdebatte in Deutschland Stellung: "Man wird der Rolle der Forschung nicht gerecht, wenn man von ihr die quasifertigen Produkte von morgen verlangt. Und man wird der Rolle der Wirtschaft nicht gerecht, wenn man den enormen Aufwand an finanziellen Mitteln nicht zur Kenntnis nimmt, die in der Industrie über viele Jahre einzusetzen sind, wenn aus einem Ergebnis der Forschung ein marktgerechtes Produkt gemacht werden soll. Wer über die Innovationsfähigkeit Deutschlands nachdenkt, muss sich Rechenschaft darüber ablegen, wie es dazu gekommen ist, dass immer mehr Unternehmen in Deutschland sich solche Aufwendungen einfach nicht mehr zutrauen."
In seiner Ansprache befasste sich Urban auch mit den Beziehungen, die die DPG mit Fachgesellschaften aus aller Welt pflegt. Die Zusammenarbeit äußert sich zum Beispiel in gemeinsamen Tagungen. Der DPG-Präsident versprach, die Kontakte zum bevorstehenden "Einstein-Jahr 2005" weiter auszubauen. "Großes Gewicht messe ich der Aufnahme offizieller Beziehungen zur Chinesischen Physikalischen Gesellschaft bei. Dazu werde ich im Mai nach Beijing reisen", sagte Urban und verwies auf die wissenschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und China: "Inzwischen ist ein großer Teil unserer Doktoranden und Mitarbeiter chinesischer Herkunft. Zudem sind viele von uns Gastprofessoren oder Ehrenprofessoren an chinesischen Universitäten."
Prof. Dr. Knut Wolf Urban ist Festkörperphysiker und wurde 1941 in Stuttgart geboren. An der dortigen Universität studierte er Physik und promovierte 1972 mit einer Arbeit über Elektronenmikroskopie und atomare Fehlstellen in Metallen. Stationen seiner wissenschaftlichen Laufbahn umfassen das Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung, die Section de Récherche de Métallurgie Physique am Centre d'Etudes Nucléaires de Saclay in Frankreich, sowie die Universität Erlangen-Nürnberg.
Urban ist seit 1987 Direktor am Institut für Festkörperforschung des Forschungszentrums Jülich und Professor für Experimentalphysik an der RWTH Aachen. Seit 2004 ist er außerdem Direktor am Jülicher "Ernst-Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen". Er forscht u. a. auf dem Gebiet der Quasikristalle und der Halbleiterphysik. Zu seinen Arbeitsfeldern gehört auch die supraleitende SQUID-Technologie, die etwa bei der Werkstoffprüfung zum Einsatz kommt.
Zu seinen Auszeichnungen zählen der Forschungspreis der "Japanese Society for the Promotion of Science", er ist Ehrenmitglied der "Materials Research Society of India" und Gastprofessor auf Lebenszeit an der chinesischen Wuhan University.
Knut Urban ist verheiratet und hat drei Kinder.