Pressemitteilung
der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Der neue Physik-Präsident kommt aus Würzburg
Prof. Dr. Eberhard Umbach an der Spitze der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Bad Honnef/Würzburg, 4. Mai 2006 – Eberhard Umbach (58), Professor für Experimentalphysik an der Universität Würzburg, ist neuer Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Der DPG-Präsident wird jeweils für zwei Jahre gewählt. Umbach ist Nachfolger von Prof. Dr. Knut Urban (Forschungszentrum Jülich), der in das Amt des Vizepräsidenten wechselt.
Eberhard Umbach möchte das gesellschaftspolitische Engagement der DPG weiter vorantreiben und sieht Bildungs- und Hochschulfragen als Schwerpunkte seiner Amtszeit. So hatte sich die DPG in einem im März veröffentlichten Thesenpapier für eine grundsätzliche Neugestaltung der Ausbildung von Physik-Lehrerinnen und -Lehrern ausgesprochen. Für Umbach eine wichtige Diskussion. „Allem voran gilt es, die Lehrerausbildung signifikant zu verbessern“, sagt er. „Dabei denke ich nicht nur an die Rekrutierung unseres Forschernachwuchses, sondern vor allem an die langfristige Ausstrahlung und an die Erziehung unserer Gesellschaft. Grundkenntnisse der Naturwissenschaften gehören zur Allgemeinbildung.“
Der DPG-Präsident betont: „Wir sollten darauf hinwirken, die Inhalte des physikalischen Schulunterrichts zu reformieren und einen Teil der eher abstoßenden Vermittlung von Formeln und Fakten zu ersetzen“. In diesem Sinne fordert Umbach „eine stärker motivierende Behandlung spannender Themen aus Physik und Technik.“ Außerdem spricht er sich für einen eigenständigen Physik-Unterricht aus: „Wir müssen dem Trend einiger Bundesländer entgegenwirken, die Physik einzuschränken und in einem eher diffusen Schulfach ‚Naturwissenschaft und Technik’ aufgehen zu lassen.“
Am Herzen liegt dem DPG-Präsidenten nicht nur die Physik in der Schule, sondern auch die Ausbildung der Fachphysiker: „Der so genannte Bolognaprozess hat uns die Abschaffung des lieb gewonnenen Diploms und die Einführung des international etablierten Bachelor- und Mastersystems beschert.“ Die DPG begleite diesen Wandel, so Umbach. „Dabei sollte aber unbedingt Konsens bleiben, dass es sich um ein konsekutives Studium handelt, dass also nur der Bachelor zusammen mit dem darauf folgenden Master zur Berufsqualifikation als Physiker oder Physikerin führt.“
Die hohe Qualität des traditionellen Diplomstudiums müsse erhalten bleiben, fordert Umbach. „Ich sehe durchaus die Gefahr, dass wir nach und nach gezwungen werden, unsere bisherigen Qualitätsstandards im Rahmen des europäischen Angleichungsprozesses auf einen gemeinsamen und damit kleinsten Nenner zu reduzieren, sie also im Klartext dem niedrigsten Standard anzupassen“, so der DPG-Präsident. „Dagegen müssen wir uns mit aller Entschiedenheit wehren. Wenn uns das nicht gelingt, wäre die Einführung von Bachelor und Master in der Tat der Beginn einer Bildungskatastrophe.“
Mit Unbehagen verfolgt Umbach, dass sich im Zuge des Bologna-Prozesses eine Verschulung der Promotion andeutet. „Dies liefe den Gepflogenheiten der deutschen Physikpromotion zuwider, da wir die Promotionsphase bisher als zusätzliche Qualifikations- und Forschungsphase, nicht jedoch als weiterführende Studienphase ansehen“, sagt er. „Promovierende sind nach unserem Verständnis junge Mitarbeiter, die im Rahmen von Arbeitsverträgen mit Forschungsaufgaben betraut sind, jedoch nicht als Studierende Hörsaalbänke drücken sollen.“ Der DPG- Präsident unterstreicht: „Etwa zwei Drittel der Forschungsleistung in der Physik wird hierzulande von Doktorandinnen und Doktoranden geleistet; sie stellen deshalb eine zentrale Säule der Forschung dar, an der wir nicht rütteln dürfen, weil wir sonst das ganze Forschungsgebäude gefährden. Wir müssen deshalb dafür eintreten, dass die künftigen Promotionsregeln so viel Spielraum lassen, dass unsere Auffassung der Physikpromotion darin Platz findet.“
Zu der jüngst eingeleiteten „Exzellenzinitiative“ meint der DPG-Präsident: „Der Wettbewerb zwischen den Universitäten hat zweifelsohne eine Reihe von positiven Aspekten, abgesehen davon, dass etwas zusätzliches Geld in die chronisch unterversorgten Hochschulen gepumpt wird. Er führt zu einem intensiven Nachdenk- und Restrukturierungsprozess, bringt Wissenschaftler sehr unterschiedlicher Provenienz an einen Tisch und setzt dabei unerwartete Synergien und erstaunliche Kreativitäten frei.“ Allerdings seien die in Aussicht gestellten Mittel „nur auf den ersten Blick beeindruckend“, so Umbach. „Wenn man überlegt, dass eine Million Euro pro Jahr für eine Graduiertenschule nach Abzug der Verwaltungs- und Gemeinkosten durch 20 oder gar 30 Lehrstühle geteilt werden muss, dann bleibt für die einzelne Arbeitsgruppe vielleicht noch eine halbe Stelle übrig.“
Sorge bereitet dem DPG-Präsidenten das Fehlen einer Nachfolgefinanzierung nach Ablauf der Bundesinitiative. „Sollen die mit viel Mühe neu geschaffenen Aktivitäten dann wieder versiegen? Oder wird das erforderliche Geld zur Weiterfinanzierung der Exzellenzprojekte durch Umverteilungen im Haushalt der Länder und Universitäten den Verlierern der Exzellenzinitiative weggenommen? Das könnte allerdings höchst bedenkliche Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland haben.“
Zur Person:
DPG-Präsident Prof. Dr. Eberhard Umbach
Eberhard Umbach ist Festkörperphysiker und Experte für Oberflächenphänomene. Ein Spezialgebiet des Würzburger Forschers sind organische Schichten auf Metall- und Halbleiterunterlagen. Verwendung finden solch hauchdünne Filme — ihre Dicke beträgt nur wenige Moleküllagen — in Sensoren und in organischen Leuchtdioden. Ein weiterer Schwerpunkt von Umbachs Arbeit ist die Charakterisierung von inneren Grenzschichten, z.B. in Dünnschichtsolarzellen auf Basis des Halbleiters Cu(In,Ga)Se.
Eberhard Umbach wurde 1948 in Bad Lauterberg (Harz) geboren. Er studierte Physik an der Technischen Universität München und promovierte 1980 mit einer Arbeit über Adsorbate. Weitere Stationen seiner wissenschaftlichen Laufbahn sind das Synchrotron Radiation Laboratory der Stanford University (USA), das ebenfalls in den USA gelegene Lawrence Berkeley Laboratory und die Universität Stuttgart. Seit 1993 ist er Lehrstuhlinhaber für Experimentelle Physik an der Universität Würzburg.
Der Physiker ist und war Mitglied zahlreicher Fachgremien. Dazu zählen Universitätskommissionen, Fachbeiräte großer Forschungseinrichtungen, Gutachterausschüsse und Preiskomitees.
Eberhard Umbach ist verheiratet und hat zwei Kinder.