Pressemitteilung
der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Physik und Verantwortung: 50 Jahre „Göttinger Erklärung“
Physiker protestierten 1957 gegen Deutschlands atomare Bewaffnung
Bad Honnef/Göttingen, 10. April 2007 – Übermorgen, am 12. April 2007, jährt sich zum 50. Mal die „Göttinger Erklärung“. Der 1957 verfasste Aufruf gegen die von Konrad Adenauer geplante Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen löste seinerzeit eine Debatte aus, die wesentlich dazu beitrug, dass die Bundesregierung von ihrem Vorhaben abließ und Deutschland keine Atommacht wurde. Zu den 18 Unterzeichnern des Manifests – allesamt Atom- und Kernforscher – zählten Nobelpreisträger wie Otto Hahn und Werner Heisenberg. „Die Göttinger Erklärung ist ein Beispiel dafür, wie Wissenschaftler politische und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und welch wichtigen Einfluss sie in öffentlichen Diskussionen ausüben können“, so Eberhard Umbach, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG).
In der 1957 in Göttingen veröffentlichten Stellungnahme schreiben die 18 Atom- und Kernforscher: „[…] unsere Tätigkeit, die der reinen Wissenschaft und ihrer Anwendung gilt und bei der wir viele junge Menschen unserem Gebiet zuführen, belädt uns […] mit einer Verantwortung für die möglichen Folgen dieser Tätigkeit. Deshalb können wir nicht zu allen politischen Fragen schweigen.“ Fünfzig Jahre später haben diese Aussagen nach Ansicht von DPG-Präsident Umbach nichts an Gültigkeit verloren: „Die Göttinger Erklärung war ein symbolträchtiger Akt, der uns Physikern ein Vorbild sein soll. Die Unterzeichner wiesen nachdrücklich auf die Problematik der Atomwaffen im Allgemeinen und auf die besondere Rolle Deutschlands hin und verweigerten jegliche Mitarbeit an der Erforschung und Herstellung solcher Waffen.“
Der DPG-Präsident erinnert daran, dass „physikalische Erkenntnisse Kernwaffen überhaupt erst möglich gemacht haben. Daraus folgt für uns Physiker eine moralische Verpflichtung, alles dafür zu tun, dass solche Waffen nicht zum Einsatz kommen.“ In diesem Zusammenhang verweist Umbach auf aktuelle Geschehnisse in den USA. Dort haben im Februar prominente Physiker den Kongress dazu aufgerufen, die Macht des US-Präsidenten zu beschneiden. Auslöser dafür waren Überlegungen der US-Regierung, Kernwaffen auch gegen solche Staaten einzusetzen, die über keinerlei atomares Arsenal verfügen. „Atomwaffen bleiben eine reale Bedrohung auch nach Ende des Ost-West-Konflikts“, meint Umbach. „Daher ist es erfreulich, dass sich der Geist der Göttinger Erklärung im Vorgehen der amerikanischen Kollegen widerspiegelt.“
Die DPG und die Universität Göttingen laden anlässlich des 50. Jubiläums der „Göttinger Erklärung“ zu einer öffentlichen Gedenkveranstaltung ein. Diese findet am Donnerstag, dem 12. April 2007, von 11 bis 13 Uhr in der Aula am Wilhelmsplatz statt. Der Eintritt ist frei. Die Veranstaltung wird eröffnet vom Präsidenten der Universität Göttingen, Kurt von Figura, und von DPG-Präsident Eberhard Umbach. Die Festrede „Nukleartechnologie und Nichtverbreitung von Kernwaffen“ hält Peter Gottwald, ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO). Weiterer Redner ist Arne Schirrmacher vom Forschungsinstitut für Technik- und Wissenschaftsgeschichte des Deutschen Museums (München). Er spricht über „Die Göttinger Erklärung als Zäsur im Verhältnis von Wissenschaft und Politik in der Bundesrepublik“. Und mit der Frage „Was müsste eine Göttinger Erklärung heute fordern?“ setzt sich Martin Kalinowski vom Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg auseinander.