Pressemitteilung
der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Die neue Frau an der Spitze der DPG
Feierliche Präsidentschaftsübergabe im Magnus-Haus Berlin
Bad Honnef, 19. April 2012 – Am 16. April 2012 hat Professor Johanna Stachel die Präsidentschaft der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) übernommen. Seit Gründung der DPG im Jahr 1845 ist Stachel die erste Frau an der Spitze der DPG. Die Amtszeit der Präsidentschaft dauert zwei Jahre. Sie tritt in die Nachfolge von Professor Wolfgang Sandner, der von nun an das Amt des Vizepräsidenten der DPG innehat. Der bisherige Vizepräsident, Professor Gerd Litfin, scheidet turnusmäßig mit dem Ende seiner Amtszeit aus dem DPG-Vorstand aus.
In ihrer Antrittsrede im Magnus-Haus Berlin stellte die neue Präsidentin ihre Agenda für die kommenden zwei Jahre vor. Zu den Kernpunkten zählen die Förderung der Grundlagenforschung, die Stärkung des Physikunterrichts und der Physiklehreraus- und -weiterbildung, der Ausbau von Programmen für Industriephysikerinnen und -physiker, Politikberatung sowie Förderung von Frauen in der Physik in Verbindung mit dem stetigem Augenmerk auf Chancengleichheit.
Stachel machte hinsichtlich der Grundlagenforschung deutlich, dass ihr sehr an einer ausgewogenen Balance zwischen anwendungsorientierter- und Grundlagenforschung gelegen sei. Sie stellte heraus, dass beide Bereiche untrennbar miteinander verzahnt sind. Die Forschungslandschaft sei insgesamt sehr gesund und Deutschland in beiden Bereichen traditionell und auch heute ein herausragender Wissenschafts-, Industrie- und Wirtschaftsstandort. Dabei stellen sich große Aufgaben, die etwa verbunden sind mit der High-Tech-Strategie der Bundesregierung, den Schlüsseltechnologien für Europa (KET) oder den großen gesellschaftlichen Herausforderungen („Grand Challgenges“). Hier spiele die Physik eine wichtige Rolle. Ohne Investition in Grundlagenforschung heute wären wir allerdings schlecht für Innovation in der Zukunft vorbereitet. Darüber hinaus machte die Präsidentin deutlich, dass Forscherinnen und Forscher für die Grundlagenforschung Freiräume benötigen, eine gewisse kongeniale Atmosphäre, damit sie Neuland betreten können. Sie äußerte sich deshalb besorgt hinsichtlich des Trends, zunehmend Forschungsleistung im Rahmen von Qualitätsmanagement zu quantifizieren. Ein quantifizierbares Produkt der physikalischen Grundlagenforschung seien allerdings die Absolventen, die dringend gebraucht werden in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft.
In diesem Zusammenhang sei es besonders wichtig, den Physikunterricht an den Schulen zu stärken und hier müsse sich die DPG noch stärker einbringen. Dazu seien aktuelle Erhebungen dringend nötig, um auf dieser Basis die Situation in Deutschland beurteilen zu können und herauszufinden, welche Maßnahmen benötigt werden. Hierzu kündigte die Präsidenten eine Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern in der DPG sowie den weiteren Gremien und Institutionen im Schul- und Hochschulbereich sowie der Kultusministerkonferenz an.
Die Förderung von Maßnahmen für Physikerinnen und Physiker in der Wirtschaft ist ein weiterer Schwerpunkt, dem sich die Präsidentin gemeinsam mit ihrem Vorstand in ihrer Amtszeit widmen möchte. Der Anteil dieser Gruppe in der DPG liegt aktuell bei 10% und ist damit nach den Studierenden und Doktoranden die drittstärkste Gruppe unter den DPG-Mitgliedern. Sie kündigte die Umsetzung eines Maßnahmenkataloges an, um die Attraktivität der DPG für diese Gruppe weiter zu steigern.
Politikberatung und Öffentlichkeitsarbeit: In diesem Bereich wird sich die Präsidentin auch in ihrer Amtszeit dafür einsetzen, dass sich die DPG als Ansprechpartnerin der Politik, aber auch der Medien und Öffentlichkeit, weiter etabliert und als Beraterin fungiert, wenn physikalische Expertise gefragt ist. Als Themen benannte Stachel u. a. Fragen der Energieversorgung und des Klimaschutzes, Bildungsfragen und Gewinnung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Physikerinnen und Physiker im Beruf sowie das Thema Chancengleichheit.
Frauen in der Physik: Stachel bedauerte den immer noch zu geringen Anteil von Physikerinnen in Wirtschaft und Hochschulen. Die Präsidentin wies auf das große Potenzial hin, welches Frauen darstellen, um den Fachkräftemangel in der Physik zu verringern. In dem Zusammenhang sprach sie sich für eine Verbesserung der Chancengleichheit aus. „Wir machen es Frauen nicht leicht, Beruf und Familie zu vereinbaren. Kinder sind nach wie vor hauptsächlich die Verantwortung der Frau. Darüber hinaus ist anspruchsvolle Karriere und Kinderbetreuung nicht einfach kompatibel und zumindest teuer. Auch lässt die im deutschen Universitätssystem immer noch sehr späte Sicherheit und Planbarkeit der Karriere diesen Berufsweg für junge Frauen weniger erstrebenswert erscheinen.“ Die Präsidentin sieht die DPG daher in der Rolle, Zahlen und Fakten zu Frauen in Studium und Beruf zu erheben, zu verstehen und aufzuzeigen, wo Verbesserungen möglich sind, die Frauen auf ihrem beruflichen Weg unterstützen und ermutigen.
Amtsübergabe im Magnus-Haus: W. Sander, J. Stachel, G. Litfin (v.l.)
Neuer DPG-Vizepräsident (links) und scheidender DPG-Vizepräsident (rechts)
Übergabe der Präsidentschaft
Die neue Präsidentin im Gespräch
Im Gespräch: A. Carl, E. Wassermann, B. Sandow und A. Bakenecker (v. links)
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V. (DPG), deren Tradition bis in das Jahr 1845 zurückreicht, ist die älteste nationale und mit über 61.000 Mitgliedern auch größte physikalische Fachgesellschaft der Welt. Als gemeinnütziger Verein verfolgt sie keine wirtschaftlichen Interessen. Die DPG fördert mit Tagungen, Veranstaltungen und Publikationen den Wissenstransfer innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft und möchte allen Neugierigen ein Fenster zur Physik öffnen. Besondere Schwerpunkte sind die Förderung des naturwissenschaftlichen Nachwuchses und der Chancengleichheit. Sitz der DPG ist Bad Honnef am Rhein. Hauptstadtrepräsentanz ist das Magnus-Haus Berlin. Website: www.dpg-physik.de