Topologische Isolatoren – Eine Klasse für sich
Ausgabe 37 | Juli 2019 | „Topologische Isolatoren versprechen, einen Paradigmenwechsel in der modernen Festkörperphysik einzuläuten. Neben mikroelektronischen Bauelementen mit extrem geringen Verlusten erwartet die Wissenschaft die Entwicklung von Materialien mit ganz neuen Eigenschaften, z. B. für Anwendungen in der Quantentechnologie.“ - Dieter Meschede, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
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- Topologische Isolatoren leiten Ströme verlustfrei, allerdings ausschließlich an eng begrenzten Oberflächen
- Sie haben das Potenzial, Ausgangspunkte revolutionärer elektronischer Bauteile in der Computer- und Informationstechnik zu sein
- Forschung in Deutschland ist vorn mit dabei
Transistoren sind die Basis aller modernen Elektronik. In jedem Smartphone sind mehrere Milliarden dieser Halbleiterbauelemente verbaut. Angesichts des steigenden Energiebedarfs der Informationstechnologie – Schätzungen gehen von einem Anteil von über 20 Prozent am Energieverbrauch in den nächsten zehn Jahren aus – ist die Entwicklung energiesparender Elektronik nicht nur aus Kostengründen, sondern auch zur Erreichung der globalen CO2-Klimaziele wichtig.
Topologische Isolatoren sind hierfür vielversprechende Kandidaten. Sie bilden eine konzeptionell neue Materialklasse (Abb. 1). Obgleich in ihrem Kern isolierend, verfügen topologische Isolatoren über leitfähige Oberflächen und Grenzschichten („topologische Randzustände“), bei denen sich die Elektronen den quantenmechanischen Gesetzen folgend frei bewegen können – und das verlustfrei, also ohne Abwärme zu erzeugen. Streuprozesse, die einen Widerstand verursachen könnten, werden dort unterdrückt. Dies erlaubt die Konstruktion elektronischer Bauteile mit beispielloser Effizienz.
Zwei Namen sind mit der Entwicklung dieser neuen Materialklasse eng verbunden: Der Physiknobelpreisträger Klaus von Klitzing entdeckte 1980 den QuantenHall-Effekt, als er Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistoren aus Silizium bei tiefen Temperaturen und starken Magnetfeldern untersuchte. Sein wissenschaftlicher Nachfolger an der Universität Würzburg, Laurens Molenkamp, entdeckte 2007 eine quantisierte Hall-Leitfähigkeit in einer II-VI-Halbleiterstruktur aus Quecksilbertellurid und Cadmiumtellurid (Abb. 2). Diese benötigt kein äußeres Magnetfeld mehr, was eine breite Anwendung als elektronisches Bauteil erst möglich macht. Solche II-VI-Heterostrukturen sind nun der Ausgangspunkt intensiver Forschung, die die künftige Festkörperphysik und damit den Bau leistungsstarker Elektronik entscheidend prägen könnte.
Ob die topologischen Isolatoren halten, was sie versprechen, ist noch nicht abzusehen. Ihr großes Potenzial ist alle Mühen intensiver Forschung wert.
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft dankt Mathias Kläui von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz sowie Ronny Thomale von der Julius-MaximiliansUniversität Würzburg für die wissenschaftliche Beratung.