Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fachgesellschaften sehen Länder bei der Hochschulfinanzierung weiter in der Pflicht
Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Geologischen Gesellschaft – Geologische Vereinigung e. V., der Deutschen Mathematiker-Vereinigung e. V., der Deutschen Physikalischen Gesellschaft e. V., der Gesellschaft Deutscher Chemiker e. V., der Gesellschaft für Informatik e. V. und des Verbandes Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e. V.
- Die unterzeichnenden mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachgesellschaften DGGV (Geolo-
gie), DMV (Mathematik), DPG (Physik), GDCh (Chemie), GI (Informatik) und VBIO (Biologie) begrüßen es, dass der Bund sich nach der Änderung von Artikel 91b GG nun dauerhaft an der Hochschulfinanzierung beteiligen darf. - Gleichzeitig appellieren sie an die Länder, ihr finanzielles Engagement für die Hochschulen keinesfalls zu reduzieren, sondern ebenfalls zu vergrößern. Die Pläne einiger Länder zur Verwendung der „BAföG-Gelder“ geben z. T. Anlass zu Besorgnis.
- Vorschläge für die konkrete Ausgestaltung der Bund-Länder-Kooperation im Hochschulbereich
müssen dringend entwickelt werden.
Die am 19.12.14 vom Bundesrat bestätigte Aufhebung des „Kooperationsverbots“ zwischen Bund und Ländern
im Hochschulbereich war überfällig. Das hohe Niveau der Forschung und Ausbildung an deutschen Hochschulen
kann nur gehalten werden, wenn alle Beteiligten auch an einem Strang ziehen dürfen.
Die Folgen der jahrelangen Unterfinanzierung der Hochschulen werden aber durch die Grundgesetzänderung nicht
aus der Welt geschafft. Die vielfältigen Probleme an den Hochschulen können durch das zusätzliche Engagement
des Bundes allein auch nicht gelöst werden. Die Hauptverantwortung für die Hochschulen und ihre Finanzierung
liegt weiterhin bei den Ländern.
Die Bundesländer sind nach wie vor in der Pflicht
Bereits in den vergangenen Jahren hat der Bund den Hochschulen auf viele Weisen finanzielle Unterstützung zukommen lassen; der Finanzierungsbeitrag zur Deutschen Forschungsgemeinschaft, die Förderung des Hochschulbaus, die Exzellenzinitiative und die Hochschulpakte sind dafür Beispiele. Zumindest in der Praxis wurden die bisherigen grundgesetzlichen Schranken dabei bisweilen auch weit ausgelegt. Die jüngste Initiative des Bundes zur indirekten Unterstützung der Hochschulfinanzierung war die Übernahme des BAföG-Anteils, den bisher die Länder finanziert hatten, in Höhe von rund 1,2 Milliarden €/Jahr. Allerdings hat eine Reihe von Landesregierungen zu erkennen gegeben, dass sie nicht die Absicht haben, die dadurch in ihren Haushalten freiwerdenden Gelder auch tatsächlich ganz oder großenteils in ihre Hochschulen fließen zu lassen. Dies ist in der Sache fatal, und es wäre auch ein fatales Signal für die künftige Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Hochschulbereich!
Keinesfalls darf die Aufhebung des Kooperationsverbots dazu führen, dass sich Bund und Länder gegenseitig
die Verantwortung für die schlechte Ausstattung der Hochschulen zuschieben. Die unterzeichnenden Fachgesellschaften erwarten von den Bundesländern, dass sie sich vorbehaltlos zu ihren Hochschulen bekennen und sich als Erste in der Pflicht sehen, für deren zeitgemäße, nachhaltige Finanzierung Sorge zu tragen.
Die Grundgesetzänderung ist nur ein Anfang
Weiter weisen DGGV, DMV, DPG, GDCh, GI und VBIO darauf hin, dass die Grundgesetzänderung nur einen Anfang
markiert. Bund und Länder stehen nun vor der Herausforderung, gemeinsam mit den Hochschulen und den anderen Wissenschaftseinrichtungen Strategien und Konzepte zu entwickeln, um die Hochschulen, aber auch das
Wissenschaftssystem in Deutschland insgesamt zu stärken. Vor allem folgende Punkte sollten hierbei bedacht werden:
- Kriterien für die dauerhafte Finanzhilfe vom Bund für die Hochschulen, Kopplung an strukturelle und inhaltliche
Zielvorgaben, Beibehaltung der Förderung befristeter Projekte; - Hochschulautonomie und hochschulpolitischer Gestaltungsanspruch von Bund und Ländern;
- Zukunft und Finanzierung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, deren Kooperation und Vernetzung
mit Hochschulen.
Eine politische Debatte über diese Fragen findet bisher kaum statt, eine klare Strategie, wie nach der Grundgesetzänderung das konkrete Engagement des Bundes für die Hochschulen aussehen kann und wie die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich verbindlich und konstruktiv geregelt wird, liegt noch nicht vor und muss dringend formuliert werden.
DGGV, DMV, DPG, GDCh, GI und VBIO fordern die Wissenschaftsministerinnen und -minister in Bund und Ländern
auf, gemeinsam mit den Hochschulen und den Fachvertretern diese Strategien zu entwickeln.
Hochschulen finanzieren heißt Zukunft sichern
Gute Hochschulen sind unverzichtbar für die Zukunft unseres wissensbasierten, freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsmodells. Die Ausstattung unserer Hochschulen entspricht in vielen Bereichen bei weitem nicht mehr
den Anforderungen. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, dass Bund und Länder an einem Strang ziehen und
gemeinsam alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um die Zukunft unserer Hochschulen zu sichern.
Die Unterzeichner
Die unterzeichnenden mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachgesellschaften sind als gemeinnützige Vereine anerkannt. Sie verfolgen keine wirtschaftlichen Interessen. Ihr Anliegen ist es, Forschung, Lehre und Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu fördern und zum Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit beizutragen.
Gemeinsam haben die unterzeichnenden Fachgesellschaften deutlich über 150.000 Mitglieder. Viele von ihnen
sind als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Hochschulen tätig oder als Studierende an Hochschulen
eingeschrieben.
Die unterzeichnenden Fachgesellschaften sehen sich in der Pflicht, eine Verbesserung der Situation an den Hochschulen einzufordern, da diesen als Stätten der Forschung und der Lehre eine grundlegende Bedeutung im Wissenschaftssystem zukommt.
Deutsche Geologische Gesellschaft – Geologische Vereinigung e. V. (DGGV) :
www.g-v.de und www.dgg.de
Deutsche Mathematiker-Vereinigung e. V. (DMV): www.dmv.mathematik.de
Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V. (DPG): www.dpg-physik.de
Gesellschaft Deutscher Chemiker e. V. (GDCh): www.gdch.de
Gesellschaft für Informatik e. V. (GI): www.gi.de
Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e. V. (VBIO): www.vbio.de