Jochen Wegner
"Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen versuche ich, die Gegenwart und die Zukunft der Medien zu gestalten."
Jochen Wegner studierte Physik und Philosophie im Doppelstudium, schloss mit einem Diplom in Physik ab und ist heute Chefredakteur von Zeit Online. Nach seiner Tätigkeit als Wissenschaftsjournalist wechselte er in den Onlinejournalismus und gilt heute als einer von dessen Vorreitern. Er wurde u.a. zum „Chefredakteur des Jahres“ gewählt und mit einem „Lead Award“ und einem „Grimme Online Award“ ausgezeichnet. Er ist zudem Moderator des „potentiell unendlichen“ Podcasts „Alles gesagt“, der zu den meistgehörten deutschsprachigen Podcast gehört. 2017 initiierte er „Deutschland spricht", ein vielfach ausgezeichnetes Projekt, das Gesprächspartner*innen mit gegensätzlichen politischen Standpunkten zum persönlichen, analogen Gespräch zusammenführt. Daraus ist mittlerweile eine internationale Plattform geworden, die hunderttausende Menschen in Dutzenden Ländern erreicht.
Wenn ich nicht Physiker geworden wäre ..
…hätte ich Informatik studiert und an Künstlicher Intelligenz geforscht – ich war kurz davor. Zum Glück habe ich den Weg nicht beschritten, so blieb mit der lange Winter des Fachs erspart, der nun erst einem Frühling weicht.
Welches ist der schönste Konferenzort, den Sie kennen?
Das fürchterlich hässliche Austin Convention Center, jedes Jahr Zentrum der Konferenz „South by Southwest“ (SXSW). Denn es ist nie der Ort, es sind immer die Menschen und was sie zu sagen haben.
Was bewegt Sie neben Physik und Arbeit?
Meine wachsende Familie. Und meine wachsende Bonsai-Sammlung.
Wie stellen Sie sich die DPG in Zukunft bzw. an ihrem 200. Jubiläum im Jahr 2045 vor?
Sie feiert den Umstand, dass endlich eine Theorie gefunden ist, die alle vier Grundkräfte vereint, ihr Aufgehen in einer internationalen Vereinigung der Physiker - und deren 51 Prozent Frauenanteil.
Welche Aufgabe sehen Sie für die Physik in der Gesellschaft von morgen?
Zu verstehen, was ist.
Welche Aufgaben hat eine europäisch gedachte Physik?
Eine „europäisch gedachte Physik“, was mag das sein? Physik verbindet doch alle unter den Himmeln?
Warum sollten sich Physikerinnen und Physiker verstärkt in den politischen Diskurs bzw. Alltag einbringen?
Wissenschaftliches Denken wurde wohl seit Jahrhunderten nicht so in Frage gestellt wie derzeit. Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten sich täglich am Selbstgespräch unserer Gesellschaft beteiligen. Das war noch nie so einfach und noch nie so schwer wie heute.
Mit welchem Thema beschäftigte sich Ihre Abschlussarbeit?
Die nichtlineare Dynamik des Gehirns. Unsere Arbeitsgruppe an der Universität Bonn hat u.a. versucht, epileptische Anfälle vorherzusagen - anhand von Daten, die uns Tiefenelektroden im Gehirn von Epilepsie-Patienten lieferten. Dazu dienten uns eine Reihe von Maßen, ich habe mich auf die Ljapunov-Exponenten konzentriert.
Welche Fragestellungen der Physik begeistert Sie heute am meisten?
Die Suche nach einer Theorie, die alle vier Grundkräfte vereint.
Woran arbeiten Sie heute?
Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen versuche ich, die Gegenwart und die Zukunft der Medien zu gestalten.
Was möchten Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs mitgeben?
Ein Physik-Abschluss befähigt zu vielem. Man muss also nicht Physiker werden, wenn man das mit Abstand spannendste Studium einmal abgeschlossen hat. Ein für manche vielleicht beruhigender Gedanke.
Bild: Zeit online