Markus Schmitt
"Die Physik als Wissenschaft der Reduktion auf das Wesentliche und der abstrakten Modelle für die grundlegendsten Naturphänomene hat mächtige Konzepte und Denkweisen zum Begreifen komplexer Zusammenhänge entwickelt."
Markus Schmitt (University of California at Berkeley, DPG-Mitglied seit 2008) inspiriert durch seine kreativen Ansätze, Physikstudierenden neue Perspektiven zu eröffnen. So ist er Erfinder des DPG-Wettbewerbs DOPPLERS und jahrelanger Leiter der Jury. Als Leopoldina Postdoctoral Fellow an der UC Berkeley forscht er im Bereich der kondensierten Materie an der Anwendung von künstlichen neuronalen Netzen zur Simulation von Dynamik in Quantensystemen.
Wenn ich nicht Physiker/in geworden wäre ...
… wäre Informatik/Computer Science auch ein spannendes Fach gewesen.
Welches ist der schönste Konferenzort, den Sie kennen?
Wer die Gelegenheit hat, eine Konferenz oder Sommerschule am ICTP in Trieste zu besuchen, sollte sie auf jeden Fall nutzen. Für die international beliebten Veranstaltungen hat man dort einen hervorragenden Rahmen: Das Gästehaus steht direkt am Meer, man wird kulinarisch bestens versorgt, und bei mehrwöchigen Veranstaltungen sind Ljubljana und Venedig in Reichweite für Tagesausflüge am Wochenende.
Welchen Bezug haben Sie zur DPG?
Mein erstes Mitgliedsjahr habe ich von der DPG für ein gutes Abitur in Physik bekommen. Während meines Studiums war der jDPG Theorieworkshop in jedem Jahr ein fester Termin für mich, zuerst als Teilnehmer und später auch als Organisator. Seit 2015 bin ich in der Organisation des DOPPLERS Physikwettbewerbs involviert. Und als Wissenschaftler habe ich auch schon an einer Reihe von Frühjahrstagungen, an Heraeus-Seminaren, und im letzten Jahr an der ersten DPG-Herbsttagung teilgenommen.
Welche Aufgabe sehen Sie für die Physik in der Gesellschaft von morgen?
Die Physik als Wissenschaft der Reduktion auf das Wesentliche und der abstrakten Modelle für die grundlegendsten Naturphänomene hat mächtige Konzepte und Denkweisen zum Begreifen komplexer Zusammenhänge entwickelt. In der Gesellschaft von morgen (und schon heute), in der jeder Einzelne einer sich rasant verändernden Umwelt ausgesetzt ist, sollte eine Rolle der Physik sein, diese Denkweise zu kultivieren und sie möglichst Vielen zugänglich zu machen.
Welche Aufgaben hat eine europäisch gedachte Physik?
Ich nehme an, dass es im europäischen Interesse ist, Spitzenforschung in Physik wie auch auf anderen Gebieten in Europa als Innovationsantrieb zu erhalten. Gleichzeitig sehe ich unter meinen europäischen Kollegen hier in den USA, dass der primäre Grund nach Europa zurückzukehren die Attraktivität Europas als Lebensmittelpunkt ist. Ich hoffe, dass europäisch gedachte Wissenschaftspolitik sich in Zukunft nicht allein auf diesen Faktor verlässt. Hilfreich wäre etwa, den Weg zur Professur europaweit einheitlich und transparent zu gestalten. Klare Vorteile des US-amerikanischen Systems sind zum Beispiel, dass die Aussichten und Anforderungen für eine akademische Laufbahn wenige Jahre nach der Promotion geklärt sind und sogar die Stellenausschreibungen jedes Jahr landesweit nahezu synchron erfolgen.
Welche Fragestellungen der Physik begeistert Sie heute am meisten?
Im Moment faszinieren mich besonders die vielseitigen Wechselwirkungen, die sich zwischen Physik, Quantum Computing und Machine Learning zu entfalten beginnen. Zwar stecken viele Ansätze noch in den Kinderschuhen, aber es deutet sich an, dass alle drei Bereiche wechselseitig voneinander profitieren können. Während erste Ideen zu Quantum Computing von Quantenphysikern in den 80er Jahren stammen, zeigt sich zuletzt immer mehr, dass Konzepte aus der Vielteilchenphysik und Physik komplexer Systeme sehr hilfreich sein können, um dem Rätsel des Erfolgs von modernen Methoden des Machine Learning auf die Spur zu kommen. Gleichzeitig wird in einem speziellen Zweig erforscht, wie Quantencomputer gewinnbringend als alternative Plattform für Machine Learning verwendet werden können und schon heute liefern sogenannte Quantensimulatoren, eine Art Einzweckquantencomputer, physikalische Entdeckungen. Sollten universelle Quantencomputer in der Zukunft die nötigen Kapazitäten erreichen, könnten sowohl verschiedene Gebiete der Physik als auch Machine Learning enorm profitieren. Den Kreis schließen die unzähligen Anwendungen von Techniken des Machine Learning in der Physik, die derzeit als Erweiterung des wissenschaftlichen Werkzeugkastens erprobt werden, auch zur Weiterentwicklung von Quantencomputern.
Physik ist wie ....
… eine Schachtel Pralinen – man weiß nie, was man bekommt.