Eckpunkte für die zukünftige Ausbildung von Physiklehrerinnen und Physiklehrern an deutschen Hochschulen

I. Anlass des Papiers

Bei den internationalen Vergleichsstudien TIMSS und PISA haben deutsche Schülerinnen und Schüler unbefriedigend abgeschnitten. Darüber hinaus ist seit längerer Zeit bekannt, dass das bei Schülerinnen und Schülern zu Beginn des Physikunterrichts noch vorhandene Interesse an der Physik im Laufe der Sekundarstufe I stark abnimmt. Diese Entwicklung hat ihre Konsequenz in dem Wahlverhalten der Schülerinnen und Schüler in der gymnasialen Oberstufe betreffs der Grund- und Leistungskurse; nach einer bundesweiten Erhebung aus dem Jahr 1997 geben ca. 2/3 aller Schülerinnen und Schüler zum frühest möglichen Termin das Fach Physik ab. Es ist also dringend erforderlich, den Physikunterricht motivierender und schülergerechter zu gestalten. Ausgelöst durch die Bologna Erklärungen aus dem Jahr 1999 wird in einigen Bundesländern und an einzelnen Hochschulen seit einiger Zeit intensiv über eine Verbesserung der Lehrerausbildung nachgedacht. Die DPG nimmt dies zum Anlass, Eckpunkte zu formulieren, die für eine angestrebte Verbesserung der Lehrerausbildung notwendigerweise zu berücksichtigen sind.

II. Die Bedeutung der Physik für unsere Kultur und Wirtschaft.

Die Physik stellt eine wesentliche Grundlage für das Verstehen natürlicher Phänomene dar. Die Methode und die Erkenntnisse der Physik bilden die Basis für die anderen Naturwissenschaften wie Biologie und Chemie; eine naturwissenschaftliche Bildung ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer Allgemeinbildung und damit ein Grundbaustein unserer Kultur.
Die Physik trägt auch wesentlich zur Erklärung und Beurteilung technischer Systeme und Entwicklungen bei. Physikalische Erkenntnisse sind die Grundlage der Ingenieurwissenschaften, wie Elektrotechnik, Maschinenbau und Informatik. Ohne diese enge Verknüpfung ist eine erfolgreiche Entwicklung der deutschen Industrie undenkbar. Eine international erfolgreiche Wirtschaft ist auf moderne technische Entwicklungen angewiesen.
Darüber hinaus haben physikalische Erkenntnisse wesentlich zu Diagnose- und Heilmethoden in der Medizin beigetragen.

III. Anforderungen an den Beruf eines Physiklehrers

Lehrende in der Physik sind nicht vorrangig Experten für Physik, sondern für die Gestaltung von Vermittlungs-, Lern- und Bildungsprozessen im Fach Physik. Das erfordert nicht nur Kenntnisse in, sondern auch über Physik, z.B. zur historischen Entwicklung grundlegender physikalischer Konzepte und zur Bedeutung wissenschaftstheoretischer Themen.
Die Herausforderung an die Lehrenden besteht darin, sowohl den Physikunterricht attraktiver zu gestalten als auch solche Schülerkompetenzen zu fördern, die über das Wissen einfacher physikalischer Zusammenhänge hinausgehen. Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler den Zugang zur Physik interessanter zu gestalten, bestehen zum einen in der verstärkten Einbeziehung von Themen der modernen Physik, die in der naturwissenschaftlich aufgeschlossenen Öffentlichkeit bereits große Resonanz finden. Auch die Integration fächerübergreifender Themen fördert sowohl das Schülerinteresse als auch die allgemeinbildende Funktion des Physikunterrichts.
Zum anderen sollten Schülerinnen und Schüler durch Verwendung bestimmter Unterrichtsformen die Gelegenheit erhalten, neben Phasen direkter Instruktion auch Situationen zu erleben, eigenständig Lösungen für physikalische Probleme zu erarbeiten.

IV. Eckpunkte für die Ausbildung von Physiklehrern an den Hochschulen

Aus der Bedeutung der Physik für unser Weltbild und den Anforderungen an den Beruf eines Physiklehrers ergeben sich unverzichtbare Eckpunkte für die Ausbildung eines Physiklehrers. Die professionelle Entwicklung einer Lehrerin oder eines Lehrers ist weder nach dem Hochschulstudium (sog.1.Phase) noch nach dem Referendariat (sog.2.Phase) abgeschlossen. Eine lebenslange berufsbegleitende Fortbildung (sog.3.Phase) ist gleichermaßen bedeutsam. Insbesondere die Berufseinstiegsphase spielt für die Entwicklung von Unterrichtsroutinen eine entscheidende Rolle und bedarf einer gezielten Unterstützung. Alle drei Phasen müssen inhaltlich und strukturell über feste Regelungen so miteinander verschränkt sein, dass den Lehrkräften ein kohärentes Programm zur kontinuierlichen Entwicklung ihrer Kompetenzen angeboten wird.
Grundsätzlich können Lehrerinnen und Lehrer der Physik die an sie gestellten Erwartungen nur dann erfüllen, wenn bei ihnen eine besondere Freude an der Vermittlung physikalischer Bildung erkennbar ist.

Eckpunkte der Ausbildung in der 1.Phase:

  1. Erwerb eines grundlegenden und anschlussfähigen Fachwissens
  2. Einsicht in physikalische Erkenntnis- und Arbeitsmethoden
  3. Erwerb eines ausbaufähigen fachdidaktischen Wissens
  4. Einblick in fächerübergreifende Themen
  5. Angebot von historischen, wissenschaftstheoretischen, philosophischen und ethischen Themen zur Physik
  6. Ausbildung in zwei gleichwertigen Unterrichtsfächern

Zu 1:
Ein fundiertes Fachwissen ist die unumgängliche Voraussetzung für ein notwendiges lebenslanges Lernen für die Vermittlung von Physik. Nur auf dieser Basis können Lehrkräften ihren Unterricht attraktiver gestalten, indem sie:

  • die Sinnhaftigkeit und gesellschaftliche Relevanz der Physik begründen können und
  • moderne physikalische Erkenntnisse und deren technische Anwendung im Unterricht aufgreifen.

Zu 2:
Für die spätere Vermittlung von Erkenntnis- und Arbeitsmethoden müssen diese im Studium nicht nur erworben werden und angewendet werden, sondern auch erkenntnistheoretisch reflektiert werden.

Zu 3:
Fachdidaktische Studienanteile sind ein integraler Bestandteil der Lehrerausbildung; hierbei ist eine Verschränkung von fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Studieninhalten anzustreben. Zu den Aufgaben der Fachdidaktik gehören u.a.:

  • Begleitung und Beratung während einer notwendigen frühzeitigen Praxiserfahrung in Form eines Unterrichtspraktikums, um den Studierenden die Möglichkeit der Überprüfung von Neigung und Eignung für den Lehrberuf zu geben.
  • Später dienen schulpraktische Elemente dazu, Unterricht in ersten Beispielen fachdidaktisch begründet zu planen, durchzuführen und zu reflektieren.
  • Reflektion über die Einbeziehung von Kontexten in den Unterricht.
  • Lehr- und Lernmethoden gemäß den Erkenntnissen moderner Lehr-Lern-Forschung erfahren, z.B. Elemente projektartigen und forschenden Lernens.
  • Kennenlernen und Auseinandersetzen mit typischen Fehlvorstellungen der Schüler zu Begriffen, Phänomenen, Zielen und Arbeitsweisen der Physik.

Zu 4:
Die Integration fächerübergreifender Themen fördert sowohl das Schülerinteresse als auch die allgemeinbildende Funktion des Physikunterrichts. Deshalb sollten die Lehramtsstudenten schon an den Hochschulen die Gelegenheiten haben, exemplarisch hierüber Kenntnisse zu erwerben.

Zu 5:
Studierende sollten erfahren und sich darüber Rechenschaft geben können, warum Physik ein unverzichtbarer Bestandteil einer Allgemeinbildung ist. Hierzu sind Studienanteile zu den genannten Themen für zukünftige Lehrkräfte anzubieten, die üblicherweise nicht unbedingt zu einer fachwissenschaftlichen Ausbildung gehören.

Zu 6:
Lehrerinnen und Lehrer werden für den Unterricht in zwei Fächern ausgebildet, die ein jeweils quantitativ und qualitativ gleichwertiges Studium erfordern. Für Studierend der Physik, die nicht Mathematik als anderes Fach gewählt haben, ist das Studium der für das Verständnis der Physik notwendigen mathematischen Inhaltsbereiche notwendig. Hierbei geht es nicht um die triviale Anwendung von Rechenmethoden, sondern um Mathematik, besser um die Mathematisierung, mit dessen Hilfe gemeinsame Strukturen in verschiedenen physikalischen Gebieten aufgezeigt werden können.

Die notwendige Orientierung der Lehrerausbildung am späteren Berufsfeld erfordert neben der zum Zwecke der Durchlässigkeit gemeinsamen Basis mit den Diplomstudenten eine besondere berufsbezogene Ausprägung in bestimmten Inhaltsbereichen. Es sollten daher lehramtsspezifische Veranstaltungen im Fachstudium eingebaut werden.

  • Das gilt insbesondere für die Theoretische Physik, deren Erarbeitung für die späteren Physiker einen Zugewinn an fachlicher Kompetenz und für die späteren Lehrkräfte eine Einsicht in die spezifische Rolle der Theorie im Aufbau der Physik darstellt.
  • Schließlich sollten die Studierenden für das Lehramt auch bereits im Studium solche Veranstaltungen aktiv kennen lernen, deren Realisierung im pädagogischen Alltag später von ihnen gefordert wird. Das sind z.B. Lehr- und Lernformen, in denen die Gewährung von Freiräumen für eigenständiges Lernen eine große Rolle spielt.

Arbeitskreis Schule, DPG


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