Press Release
of the German Physical Society
Einsteins Vermächtnis
Tagung zum 125. Geburtstag von Albert Einstein in Ulm
Ulm, 3. März 2004 - Mit der "Einstein Lecture" von Nobelpreisträger Chen Ning Yang beginnt am 14. März, dem Geburtstag Albert Einsteins, das wissenschaftliche Programm der Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), die bis zum 18. März 2004 an der Universität Ulm stattfindet. Dort dreht sich alles um Kosmologie und Schwerkraft, Theoretische und Mathematische Physik und insbesondere um Albert Einstein. Denn der Vater der Relativitätstheorie wurde vor nunmehr 125 Jahren, am 14. März 1879, in Ulm geboren. Dieses Jubiläum feiern mehr als 180 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Ausflügen zum "Anfang der Welt", zu "Wurmlöchern" und "Quarksternen". Auf dem Kongress geht es aber auch um Einsteins Einfluss auf die Kunst. Im Rahmenprogramm der Tagung: der Festakt der Stadt Ulm mit Bundespräsident Johannes Rau, ein Konzert, eine Oper und eine Ausstellung über den größten Physiker seit Newton.
Professor Chen Ning Yang (Stony Brook/USA, Hongkong und Peking), Nobelpreisträger des Jahres 1957, wird im Rahmen der öffentlichen Einstein Lecture am 14. März im Hörsaal H4/5 der Universität Ulm (Oberer Eselsberg, Gebäude O25) über Einsteins Einfluss auf die Physik des 21. Jahrhunderts sprechen. Sein Vortrag beginnt um 19.30 Uhr. Yang arbeitete ab 1949 - ebenso wie Albert Einstein - am Institute for Advanced Study in Princeton (USA) und legte einst mit seiner Yang-Mills-Theorie die Grundlage der heutigen Elementarteilchenphysik.
Die Einsicht, dass die Zeit keine feste Größe ist, kommt uns Normalbürgern alljährlich bei den Weihnachtseinkäufen vor Heiligabend oder in der Schlange an der Supermarktkasse. Dass Zeit und Raum sich aber tatsächlich krümmen, dehnen und stauchen lassen, diese Vorstellung verdanken wir Albert Einstein und seiner Allgemeinen Relativitätstheorie. Ihre Verflechtungen sind weitgehend, aber tatsächlich liefert sie uns die Theorie der Schwerkraft, nach deren Gesetzen sich alle Objekte des Universums bewegen: die Erde auf ihrem Lauf um die Sonne genau so wie das Butterbrot in Richtung Küchenboden. Die Ursachen für diese Anziehung - so erkannte Einstein als erster - liegen bei Raum und Zeit, die zu einer Art Teppich miteinander verwoben sind. Sterne und Planeten verformen dieses Gefüge vergleichbar einem Schlafenden, der eine Matratze eindrückt, und fangen andere Körper mit ihren Schwerkrafttrichtern ein. Diese Einsichten Einsteins werden seitdem in der Physik und Astrophysik und seit etwa 1976 auch technisch mit dem Navigationssystem GPS erfolgreich angewandt.
Und genauso wie die "Raumzeit" eingedrückt wird, kann sie auch Falten schlagen. Diese durcheilen als "Gravitationswellen" das Universum mit Lichtgeschwindigkeit - ähnlich wie die Radiosignale eines Rundfunksenders. Soweit die Theorie. Tatsächlich zählt dieses Phänomen zu den wenigen Voraussagen Einsteins, die bislang nicht eindeutig bestätigt wurden. Aber es wird emsig daran gearbeitet. Um Gravitationswellen zu empfangen, ist allerdings etwas mehr nötig als ein Kofferradio. Beobachtungsposten wie die britisch-deutsche Anlage GEO600, die in der Nähe von Hannover auf der "Lauer liegt", arbeiten mit 600 Meter langen Laserdetektoren. Mit solchen Messstationen wollen Wissenschaftler nun erstmals Schwerkraftsignale von explodierenden Sternen oder Schwarzen Löchern auffangen (s. www.weltderphysik.de). Der Stand der Dinge wird in Ulm diskutiert.
Auch die Kosmologie - sie beschreibt das Universum auf globaler Skala - spielt im Tagungsprogramm eine wesentliche Rolle. Seit langem weiß man, dass der Kosmos nicht statisch ist, sondern aufgeht wie ein Hefeteig. Kurzum: seit dem "Urknall" vor rund 14 Milliarden Jahren dehnt sich das Weltall immer weiter aus. Das größte Triebmittel ist dabei die so genannte kosmologische Konstante. Einst von Einstein eingeführt, später von ihm wieder verworfen und sogar als "größte Eselei" seines Lebens bezeichnet. Doch in jüngster Zeit erlebt sie - heute meist als "Dunkle Energie" tituliert - eine wahre Renaissance. Neuesten Messungen zufolge ist die kosmologische Konstante sogar die maßgebende Kraft für die beschleunigte Expansion des Universums (s. www.weltder-physik.de).
Einen weiteren Schwerpunkt der Tagung bilden die Quantentheorie und die Quantenfeldtheorie in gekrümmter Raumzeit. Dabei geht es insbesondere um aktuelle Ansätze der Quantengravitation - sie versucht, Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie mit den Gesetzen des Mikrokosmos in Einklang zu bringen. Hier klafft im Theoriegebäude der Physik noch eine riesige Lücke.
Dass im atomaren und subatomaren Bereich der Zufall regiert - eine Grundaussage der Quantentheorie -, wollte Albert Einstein zeitlebens nicht akzeptieren. Er suchte deshalb über viele Jahre nach Widersprüchen im Gedankengebäude der Quantentheorie, ohne diese jedoch widerlegen zu können. Aber durch sein ständiges Hinterfragen stieß er auf das so genannte EPR-Paradoxon, das auf eine gemeinsame Arbeit mit den Physikern Nathan Rosen und Boris Podolsky zurückgeht. Mit dem EPR-Paradoxon entdeckte Einstein jene geheimnisvolle Fernverbindung zwischen einmal gekoppelten Teilchen, die selbst lange nach ihrer Trennung erhalten bleibt: die "Verschränkung". Heute ist sie Grundlage der "Quanteninformationstheorie" und gilt als zentrales Funktionsprinzip künftiger Quantencomputer (s. www.weltderphysik.de).
Einsteins Einfluss auf die moderne Wissenschaft ist heute allgegenwärtig. Seine Arbeiten zur Relativitätstheorie, zum Photoeffekt und zur Quantentheorie, zur Brown'schen Molekularbewegung und Statistischen Physik sowie die Erkenntnis, dass Energie und Masse ineinander umgewandelt werden können, revolutionierten das Weltbild der damaligen Zeit. Einstein legte damit auch den Grundstein für zahlreiche technische Entwicklungen, die unser heutiges Leben begleiten - vom Navigationssystem GPS über die Solarzelle bis hin zur digitalen Kameratechnik. Ein umfangreicher Fundus an Grundlagenwissen, aus dem ganz neue Industriezweige erwachsen sind.
Der Physiker ist deshalb auch ein Mann der Zeitgeschichte, der unsere Gesellschaft weit über die Wissenschaft hinaus geprägt hat. "Einstein und die Kunst" heißt daher ein Symposium während des Ulmer Kongresses. Dabei geht es unter anderem um die "Seelenverwandtschaft" zwischen Einstein und Picasso (s. www.physicsweb.org) und um die Rolle der Musik in Einsteins Leben. Ein anderer Vortrag setzt sich mit einem frühen Werk des "Public Understanding of Science" auseinander - dem Film "Die Grundlagen der Einsteinschen Relativitätstheorie", der im Jahre 1922 Premiere feierte und Einsteins Ideen einem breiten Publikum vermitteln sollte. Die dreistündige Dokumentation war eine der ersten mit langen Tricksequenzen und seinerzeit Gegenstand heftiger Debatten.
Ein weiterer öffentlicher Abendvortrag (Eintritt frei) rundet das Programm ab. Ort der Veranstaltung ist der Hörsaal H22 der Universität Ulm (Oberer Eselsberg, Gebäude O28). Unter dem Titel "Neues vom Anfang der Welt" blickt bzw. horcht Professor Matthias Bartelmann (Universität Heidelberg) ins All. Von dort erreicht uns nämlich noch heute der "Geburtsschrei" des Universums. Der Lauschangriff startet am 17. März, um 20:00 Uhr. Das Begleitprogramm der Tagung hat aber auch dem Kulturliebhaber einiges zu bieten. So findet am 15. März, um 21.00 Uhr, im Hörsaal H4/5 der Universität Ulm ein Konzert statt. Außerdem feiert das Ulmer Theater Albert Einstein mit der Oper "Einstein, die Spuren des Lichts" (Uraufführung am 18. März). Bereits am 16. März gibt das Ulmer Theater um 20.00 Uhr eine Sondervorstellung der Oper für die Tagungsteilnehmer. Außerdem ist dem genialen Denker eine Ausstellung im Stadthaus Ulm (12. März - 31. August 2004) gewidmet. Und für die Einsteins von morgen schließt am 19. März der Einstein-Schülerwettbewerb der Universität Ulm in Gegenwart des Ulmer Oberbürgermeisters Ivo Gönner mit der Preisverleihung und einer Party im Café JAM am Münsterplatz. Beginn 18.00 Uhr.
Programm-Informationen:
www.dpg-physik.de/presse
www.dpg-tagungen.de
www.einstein.ulm.de
Kontakt:
Prof. Dr. Frank Steiner (Tagungsleiter)
Universität Ulm
Abteilung Theoretische Physik
Tel.: (0731) 50 - 22910/22911 oder - 22150/22151 (Tagungsbüro)
E-Mail:
The German Physical Society (Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V.; DPG), which was founded way back in 1845, is the oldest national and, with more than 60,000 members, also the largest physical society in the world. As a non-profit-making organisation it pursues no economic interests. The DPG promotes the transfer of knowledge within the scientific community through conferences, events and publications, and aims to open a window to physics for the curious. Its special focuses are on encouraging junior scientists and promoting equal opportunities. The DPG’s head office is at Bad Honnef am Rhein. Its representative office in the capital is the Magnus-Haus Berlin. Website: www.dpg-physik.de