29.02.2008

Geimeinsame Pressemitteilung

Technische Universität Darmstadt, Deutsche Physikalische Gesellschaft

Quanten, Kerne, Klimatrends

Zwischen Teilchenwelt und Makrokosmos: 2.000 Fachleute zur Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Darmstadt erwartet

Darmstadt, 29. Februar 2008 – Rund 2.000 Physikerinnen und Physiker treffen sich vom 10. bis 14. März 2008 in Kongresszentrum „Darmstadtium“, um über Atome, Quanten, Kernteilchen sowie Klima- und Umweltforschung zu diskutieren. Veranstalter der Tagung ist die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), Gastgeber die Technische Universität Darmstadt. Im Einzelnen reicht die Themenpalette von den „Quantencomputern“ über die Tiefenströmungen des Meeres und den Anwendungen der Lasertechnik bis hin zur Kernfusion als Energiequelle. Ein öffentlicher Abendvortrag des renommierten Quantenforschers Anton Zeilinger ist Teil des Rahmenprogramms. (Bild: www.weltderphysik.de)

Hinweis an die Redaktionen: Die Medien sind herzlich eingeladen zur Auftaktpressekonferenz. Der Termin:

Montag, 10. März, 13:00 Uhr
Darmstadtium
Wissenschafts- und Kongresszentrum
Alexanderstraße 1

An der Pressekonferenz wird unter anderem des US-amerikanische Quantenpionier Jeff Kimble teilnehmen.

Insgesamt 1.751 Fachbeiträge sind in dem knapp 400 Seiten starken Tagungsband gelistet. Hier einige Einblicke in das Themenspektrum:

Kerne & Quarks: Das Augenmerk der versammelten Physikerinnen und Physiker gilt unter anderem den Atomkernen und der „starken Wechselwirkung“. Diese Naturkraft wirkt wie ein Leim, der die einzelnen Teile beziehungsweise Teilchen des Atomkerns miteinander verbindet. Fachbeiträge über Protonen und Neutronen sowie über die sich innerhalb dieser Kernteilchen tummelnden „Quarks“ und „Gluonen“ ziehen sich daher wie ein roter Faden durch das Programm. Eine der fundamentalen Fragen, um die es dabei geht: Die Kernteilchen drehen sich – bildlich ausgedrückt – wie Kreisel um die eigene Achse. Doch wie kommt dieser „Spin“ zustande? Trotz jahrzehntelanger Forschung ist dies noch immer rätselhaft.

Darüber hinaus befassen sich zahlreiche Vorträge mit dem bei der Darmstädter Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) entstehenden Teilchenbeschleuniger FAIR. Von dieser internationalen Forschungsanlage erhoffen sich die Fachleute neue Einblicke in den Aufbau der Kernmaterie. Darmstadt erhält damit eine der größten Beschleunigeranlagen Europas.

Sterne & Elemente: Die Vielfalt der Materie beruht auf gerade mal 100 verschiedenen chemischen Elementen. Die leichtesten – insbesondere Wasserstoff und Helium – gingen bereits aus dem „Urknall“ hervor, mit dem das Universum vor rund 14 Milliarden Jahren seinen Anfang nahm. Schwere Elemente wie Sauerstoff, Kohlenstoff oder Eisen wurden erst nach und nach von den Sternen produziert und durch Sternexplosionen ins Weltall geschleudert. Daraus bildeten sich dann neue Sterne und auch Planeten. Bei der Tagung geht es daher auch um die Entstehung der chemischen Elemente, die bei enormem Druck und Hitze im Inneren der Sterne vor sich geht. Die Elementsynthese ist nämlich ein Nebenprodukt des atomaren Feuers, das den Sternen ihre Strahlkraft verleiht. Die Energie dazu stammt aus der Verschmelzung von Atomkernen. Eisen ist das schwerste Element, das auf diese Weise entstehen kann. Die noch schwereren Elemente sind Folge anderer, ebenfalls kernphysikalischer Phänomene, wie sie etwa während einer Sternexplosion ablaufen. Einen solchen Prozess entschlüsselte der Spanier Gabriel Martínez Pinedo, der bei der GSI in Darmstadt arbeitet. Während der Tagung wird der 39-jährige Physiker für seine wissenschaftliche Spitzenleistung mit dem „Gustav-Hertz-Preis“, dem Nachwuchspreis der DPG, ausgezeichnet.

Quanten & Qubits: Obwohl es bislang nur einfachste Prototypen gibt, versprechen sich Wissenschaftler von den „Quantencomputern“ geradezu astronomische Rechenleistungen. Der Schlüssel dazu liegt im Prinzip der Informationsverarbeitung: Statt auf gängige Bits greifen Quantenrechner auf Quantenbits zurück. Dank der Gesetze der Quantenphysik speichern diese „Qubits“ nicht nur Nullen und Einsen, sie nehmen auch Mischwerte an. Werden verschiedene „Qubits“ noch passend verknüpft – „verschränkt“ heißt es im Fachjargon –, dann lassen sich zahllose Rechenoperationen gleichzeitig ausführen und das Rechentempo wird enorm gesteigert. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Und so werden bei der technischen Umsetzung zurzeit unterschiedlichste Ansätze verfolgt: Einige Fachleute experimentieren mit einer „Hardware“ aus neutralen Atomen, die sie per Laserstrahl in Position halten. Andere wiederum sperren elektrisch geladene Atome (Ionen), in elektromagnetische Käfige. Zahlreiche Tagungsbeiträge befassen sich mit den Entwicklungen innerhalb dieses „Quanteninformatik“ genannten Fachgebiets.

In diesem Zusammenhang arbeiten Physiker daran, Atome und Lichtquanten gezielt zu beeinflussen. Sie haben dazu sogenannte „Resonatoren“ (engl. cavities) entwickelt – Lichtfallen, mit denen Atome und Quanten in Einzelhaft genommen werden. Der US-amerikanische Quantenpionier Jeff Kimble wird bei der Tagung von solchen Experimenten berichten.

Kälte & Kondensate: Quantengase gelten als die kältesten „Objekte“ des Universums. Genauer betrachtet, handelt es sich um lichte Teilchenwolken. Sie sind extrem kalt, ihre Temperatur liegt dicht am absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius. Unter diesen Bedingungen regiert die Quantenphysik das Geschehen: Statt wie bei normalen Gasen wild durcheinander zu schwirren, bewegen sich die Gasteilchen im Gleichtakt, wie beim „Bose-Einstein-Kondensat“, oder gruppieren sich paarweise, wie beim „fermionischen Kondensat“. Sinn der Übung: Die ultrakalten Gase sind ideale Versuchsobjekte, um Quantenphänomene wie die sogenannte „Supraleitung“ zu untersuchen. In jüngster Zeit konzentrieren sich die Physiker besonders auf solche Quantengase, die eine Mischung verschiedener Atome enthalten. Interessant ist in diesem speziellen Fall die Wechselwirkung der Atome miteinander. Da vermutet wird, dass in „Hochtemperatur-Supraleitern“ eine ähnliche Form des Zusammenspiels stattfindet. „Hochtemperatur-Supraleiter“ sind technologisch höchst interessante Materialien, die elektrischen Strom verlustfrei transportieren. Neueste Erkenntnisse darüber werden in Darmstadt diskutiert.

Physik & Präzision: Genauigkeit ist in der Physik oberstes Gebot. Werden die Naturkonstanten ihrem Namen gerecht oder verändern sie sich gar im Laufe von Jahrmilliarden? Inwiefern unterscheidet sich Materie von Anti-Materie? Und wie steht es um die Gravitationswellen – subtile Kräuselungen des Raum-Zeit-Gefüges, die mit Lichtgeschwindigkeit durch das Weltall rasen? Manch grundlegende Fragen der Physik haben eben nur dann Aussicht auf eine Antwort, nimmt man Mutter Natur sehr genau unter die Lupe. Derlei Präzisionsexperimente sind ebenfalls ein Tagungsthema.

Plasma & Fusion: „Plasma“ ist ein gasähnliches, bisweilen sehr heißes Gemisch aus elektrisch geladenen Teilchen. In der Natur findet man es als Begleiter von Funken, Flammen und Blitzen. Besonders häufig jedoch ist es am Firmament vertreten, denn sämtliche Sterne bestehen aus Plasma. Ein solcher Feuerball ist auch unsere Sonne, deren Leuchtkraft durch die Verschmelzung von Atomkernen in Gang gehalten wird. Diese Methode der Energiegewinnung mit Hilfe eines Kraftwerks nutzbar zu machen, ist das Ziel der Fusionsforscher. Vom internationalen Testreaktor ITER, der in Südfrankreich gebaut wird, erhoffen sie sich einen großen Schritt nach vorne. Die Herausforderung dabei: Zum Zünden des künstlichen Sternenfeuers muss es gelingen, den Brennstoff – Wasserstoffplasma – in einem magnetischen Käfig einzuschließen und auf viele Millionen Grad Celsius zu erhitzen. Diverse Tagungsbeiträge befassen sich mit diesem Thema.

Laser & Partikel: Man stelle sich vor, das gesamte auf die Erde einfallende Sonnenlicht wäre auf die Ausmaße einer Bleistiftspitze gebündelt. Kein bloßes Gedankenspiel, denn solch geballtes Licht lässt sich tatsächlich mit Laserblitzen erzeugen – wenngleich nur für den Bruchteil einer Milliardstelsekunde. Der Clou: Derartige Laserblitze können Elektronen und geladene Kernteilchen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit antreiben. Teilchenforschung, Strahlentherapie und neuartige Lichtquellen („Freie-Elektronen-Laser“) sind für die rasanten Partikel mögliche Einsatzgebiete. Aktuelle Forschungsergebnisse aus diesem Bereich – Fachleute sprechen von „Laser-Plasma-Physik“ – werden in Darmstadt vorgestellt.

Hightech & Motoren: Fernab der Grundlagenforschung ist Plasma ein unverzichtbares Werkzeug zur Herstellung hochwertiger optischer Materialien und anderer Hightech-Produkte. Die Einsatzgebiete reichen von der Beschichtung von Glas bis hin zur Behandlung von Kunststoffen. Sogar Herzkatheter lassen sich per Plasma sterilisieren. Ähnlich praktisch ist der Laser, mit dessen Hilfe nicht nur Fahrzeugmotoren, sondern auch Solarzellen produziert werden. Das Tagungsprogramm zeigt Beispiele derlei Anwendungen aus Technik und Produktion.

Klima & Ozean: Die Tagungsbeiträge in Sachen „Umweltphysik“ widmen sich unter anderem der Lufthülle unseres Planeten und dem Ozean. Das Ozonloch, die Strömungen in den Tiefen des Meeres, Treibhausgasemission und Temperaturtrends in Zeiten der Globalen Erwärmung sind einige der Themen. Außerdem geht es um sogenannte „Tracer“ – chemische Substanzen, die selbst in winziger Konzentration Aufschluss geben über Stoffkreisläufe und andere Vorgänge der Natur. In einer gemeinsamen Fachsitzung der DPG mit der Europäischen Physikalischen Gesellschaft wird zudem über das Zusammenspiel von Umwelt und Energieerzeugung diskutiert.

Chiffren & Computer: Ein öffentlicher Abendvortrag rundet das Fachprogramm ab. Anton Zeilinger (Universität Wien) wird dabei von der „Quanteninformatik“ berichten. Eine sich rasant entwickelnde Fachdisziplin, in der es unter anderem um superschnelle „Quantencomputer“ und die „Quantenverschlüsselung“ sensibler Daten geht.

„Verschränkung von Quantensystemen: Von fundamentalen Fragestellungen zu Anwendungen in der Quanteninformatik“
Prof. Dr. Anton Zeilinger
Fakultät für Physik, Universität Wien & Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Dienstag, 11. März 2008, 20:15 Uhr, Eintritt frei
Darmstadtium (Kongresssaal 1 A/B/C), Alexanderstraße 1