Pressemitteilung
der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Vom Mikrokosmos ins Dunkle Universum
Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in München
München, 27. Februar 2009 – Vom 9. bis 13. März 2009 tagt die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Teilchenphysik, Gravitationsforschung, Kosmologie und Strahlenschutz sind Schwerpunkte des Kongresses, zu dem über 1.000 Fachleute aus dem In- und Ausland erwartet werden. Diskutiert werden auch philosophische Fragen der Physik. (Bild: Birgit Winter, www.pixelio.de)
In dem über 170 Seiten starken Tagungsband sind rund 1.000 Fachbeiträge gelistet. Hier einige Einblicke:
Rätselhafter Mikrokosmos: Weshalb gibt es im Universum überhaupt Materie? Wie kommen Teilchen zu ihrer Masse? Beeinflussen bisher unbeobachtete Teilchen die Bewegung von Galaxien? Antworten auf diese und weitere Fragen verspricht der Teilchenbeschleuniger LHC. Diese in einem 27 km langen Ringtunnel gelegene Teilchenrennbahn ist weltweit einmalig und Herzstück des internationalen Großforschungszentrums CERN in Genf. Nach erfolgreichem Start im vergangenen September wurde der LHC jedoch durch einen technischen Zwischenfall in die vorzeitige Betriebspause gezwungen. Derzeit wird der beschädigte Abschnitt repariert und ein verbessertes Diagnosesystem eingebaut, das bei dem für Herbst anvisierten Neustart ähnlichen Vorfällen vorbeugen soll. An dem ehrgeizigen Projekt sind Forscherinnen und Forscher aus aller Welt beteiligt, darunter auch etwa 30 deutsche Teams. Viele Tagungsbeiträge befassen sich deshalb mit den am LHC geplanten Experimenten – so auch ein Plenarvortrag von Felicitas Pauss, CERN-Koordinatorin für externe Beziehungen.
Kosmische Partikel: Elementarteilchen flitzen nicht nur durchs Labor, sie erreichen uns auch aus den Tiefen des Alls. Bisweilen sind dabei enorme Energien im Spiel – so gewaltig, dass kein irdischer Teilchenbeschleuniger damit Schritt halten kann. Die Herkunft dieser „kosmischen Strahlung“ ist rätselhaft. Als Ursprungsorte werden unter anderem Schwarze Löcher und explodierende Sterne (Supernovae) vermutet. Zu den Teilchen, die uns auch dem Weltraum erreichen, zählen insbesondere so genannte Neutrinos, die nur sehr schwach mit Materie wechselwirken. Fast ungehindert durchdringen sie Sterne und Planeten. Nur weil Neutrinos in der kosmischen Strahlung so zahlreich sind, geht den Teilchenfahndern hin- und wieder eines davon ins Netz. Um Neutrinos und auch um die anderen Komponenten der kosmischen Strahlung nachzuweisen, haben Forscher Detektoren entwickelt, die von Argentinien über die Kanaren bis hin zum Südpol nahezu rund um den Erdball postiert sind. In München werden aktuelle Befunde dieser Beobachtungsstationen vorgestellt.
Dunkles Universum: Die Bewegungen von Galaxien deuten darauf hin, dass das Weltall neben leuchtender Materie in Gestalt von Sternen und glühenden Gaswolken auch „Dunkle Materie“ enthält. Doch aus was besteht sie? Die Fachleute sind sich heute einig, dass jegliche Materie, die Licht oder eine andere Form elektromagnetischer Strahlung aussendet, nicht in Frage kommt. Damit scheidet alles aus, was aus Atomen besteht, also auch erloschene Sterne und Staubwolken. Weiterhin schließen die Wissenschaftler alle bekannten Elementarteilchen aus. Als Erklärung für die „Dunkle Materie“ tippen sie daher auf neue, bislang unbeobachtete Teilchen. Mit dieser Thematik wird sich in München eine Schwerpunktssitzung unter dem Motto „Das Dunkle Universum“ befassen. Dabei wird es auch um die rätselhafte „Dunkle Energie“ gehen, die den Kosmos immer schneller auseinanderdriften lässt.
Kosmische Schwergewichte: Die Tagungsbeiträge aus dem Bereich der Gravitationsforschung sind unter anderem Schwarzen Löchern, Gravitationswellen und der Kartierung des irdischen Schwerefelds gewidmet. Gemeinsamer Nenner ist das Studium von Phänomenen der Schwerkraft. Da diese Struktur und Entwicklung des gesamten Universums bestimmt, werden in München auch aktuelle Erkenntnisse der Kosmologie vorgestellt. Dabei geht es insbesondere um die Gestalt des Kosmos und um die Frage, ob das Weltall möglicherweise „Laufmaschen“ aufweist. Solche Webfehler heißen im Fachjargon „kosmische Strings“.
Mathematische Weltformel: Angesichts der Vielfalt physikalischer Phänomene suchen Forscher seit langem nach einer umfassenden Naturbeschreibung, die insbesondere die Gesetze der Schwerkraft mit denen der Quantenphysik verbindet. Kandidat hierfür ist die „Stringtheorie“, die sämtliche Elementarteilchen und Naturkräfte auf unvorstellbar winzige Fäden zurückführt. Dies bringt verborgene und auf winzige Raumgebiete beschränkte „Extra-Dimensionen“ mit sich, die sich bisher dem Nachweis entziehen. Die Stringtheorie ist der wohl am weitesten verbreitete aber nicht der einzige Vorschlag der Theoretiker. Die verschiedenen Ansätze werden in den Sitzungen der Theoretischen Physik diskutiert.
Radioaktive Wirkung: Diverse Tagungsbeiträge beschäftigen sich mit der biologischen Wirkung von Strahlung, insbesondere mit ihrer Auswirkung auf den Menschen: Ob in gezielter Form – wie bei der Tumortherapie mit Ionen – oder als ungewollte Belastung durch natürliche beziehungsweise künstliche Radioaktivität. In diesem Zusammenhang geht es in einem Plenarvortrag um die „KiKK-Studie“, eine Untersuchung über Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken.
Komplexe Phänomene: Chaosforschung, Teilchenphysik, Kosmologie, die Erforschung der Reiselust des Menschen: Eine interdisziplinäre Fachsitzung wird das Thema „Komplexität“ aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.
Physikalische Philosophie: Neben der physikalischen Grundlagenforschung widmet sich die Tagung auch dem Wechselspiel zwischen Physik und Philosophie. Dabei werden verschiedene Aspekte der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie behandelt wie die Rolle des Zufalls in der Physik, die Axiomatik in der Mathematischen Physik und die Interpretation kosmologischer Modelle. Eine Sitzung zur Geschichte der Naturphilosophie befasst sich mit einer relativ jungen Disziplin: der Astroteilchenphysik.
Feierliche Preisverleihung: Dem britischen Kernphysiker Robin Devenish wird am 11. März im Audimax der LMU der internationale Max-Born-Preis überreicht. Die Ansprachen halten LMU-Vizepräsident Sigmund Stintzing und DPG-Präsident Gerd Litfin.
Öffentlicher Abendvortrag: Neben dem umfangreichen Fachprogramm wird es auch einen öffentlichen Abendvortrag geben: Wolfgang Hollik, Direktor am Münchner Max-Planck-Institut für Physik, lädt zu einer „Expedition ins Innerste der Materie und zum Anfang unseres Universums“ ein. Startzeit: Mittwoch, 11. März, 20:00 Uhr. Treffpunkt: Audimax der LMU, Geschwister-Scholl-Platz 1. Die Teilnahme ist kostenfrei.