23.03.2009

Pressemitteilung

der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, des Leibniz-Instituts für Plasmaforschung und Technologie, des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Feurig, rasant und nicht von dieser Welt

Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Greifswald

Greifswald, 23. März 2009 - Rund 400 Physikerinnen und Physiker treffen sich vom 30. März bis 2. April 2009 in Greifswald, um über Kernfusion, Medizintechnik und Laserforschung zu diskutieren. Die Erforschung der Sonne und ferner Planeten sowie die Zukunft der deutschen Raumfahrt sind ebenfalls Themen des Kongresses, der von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) veranstaltet wird. Lokale Organisatoren sind die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP Greifswald) sowie das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. (Bild: NASA, The Hubble Heritage Team and A. Riess (STScI))

Hier einige Einblicke in das vielseitige Tagungsprogramm:

Feurig: Ein Tagungsschwerpunkt ist die Plasmaphysik. „Plasma“ ist ein gasähnliches, bisweilen sehr heißes Gemisch aus elektrisch geladenen Teilchen. In der Natur findet man es als Begleiter von Funken, Flammen und Blitzen. Besonders häufig ist es allerdings am Firmament vertreten, denn sämtliche Sterne bestehen aus Plasma. Ein solcher Feuerball ist auch unsere Sonne, deren Leuchtkraft auf der Verschmelzung von Atomkernen beruht. Fusionsforscher wollen diese Form der Energiegewinnung mit Hilfe eines Kraftwerks nutzbar machen. Die technischen Herausforderungen sind allerdings gewaltig. Denn der Brennstoff des künstlichen Sternenfeuers – Wasserstoffplasma – ist höllisch heiß: Seine Temperatur beträgt viele Millionen Grad Celsius. Eingeschlossen in einem Käfig aus Magnetfeldern muss dieser Brennstoff nicht nur auf die richtige Temperatur erhitzt werden. Der Feuerball darf auch nicht zu schnell wieder abkühlen, weil die Kernfusion sonst gleich wieder zum Erliegen kommt. Vor diesem Hintergrund befassen sich zahlreiche Tagungsbeiträge mit den neuesten Entwicklungen im Bereich der Kernfusion.

Auch Greifswalder Wissenschaftler betreiben Spitzenforschung auf diesem Gebiet. So erhielt Friedrich Wagner, Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Anfang März die wichtigste Auszeichnung der DPG für experimentelle Physik: die „Stern-Gerlach-Medaille“. Zu Wagners besonderen Verdiensten zählt die Entdeckung eines Plasmazustands („H-Mode“), der wesentlich ist, um ein künstliches Sternenfeuer in Gang zu halten.

Die Tagung beschäftigt sich jedoch nicht nur mit den für die Kernfusion gefragten, extrem heißen Plasmen, sondern auch mit weitaus kühleren Varianten. Solche „Niedertemperatur-Plasmen“ werden zur Fertigung hochwertiger Gläser und anderer Hightech-Produkte eingesetzt. In Greifswald werden zudem neueste Entwicklungen im Bereich der Lichttechnik vorgestellt. Weiteres Thema ist die „Plasmamedizin“. Dabei geht es unter anderem um die Sterilisation von Implantaten und um neuartige Therapien der Wundbehandlung. Zwei große Forschungsprojekte, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden, laufen hier federführend am INP Greifswald: „plasmatis – Zentrum für Innovationskompetenz“ und der „Campus PlasmaMed“.

Rasant: Auf dem Kongress ebenfalls vertreten ist die „Kurzzeitphysik“. Sie befasst sich mit physikalischen Phänomenen, die sich in Sekundenbruchteilen abspielen. Die Zeitspannen können im Bereich einiger Hundertstelsekunden liegen oder sogar nur Bruchteile einer Milliardstelsekunde umfassen. Von Bedeutung sind solche Effekte zum Beispiel dann, wenn Laser- oder Röntgenblitze zum Einsatz kommen – wie es bei der Materialkontrolle und der Werkstoffbehandlung geschieht. Vor diesem Hintergrund geht es in Greifswald unter anderem um das Glasschweißen per Laserstrahl und um die Sicherheitsprüfung von Triebwerken.

Außerirdisch: Der dritte Tagungsschwerpunkt dreht sich um Geschehnisse in der oberen Atmosphäre, um Sonne und Planeten und um weitere Aspekte der Weltraumforschung. Hier einige Beispiele:

In Zusammenhang mit dem 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus verändert sich die Strahlung der Sonne in natürlicher Weise. Wie wirken sich derlei Schwankungen auf die Erdatmosphäre und auf klimarelevante Prozesse aus? In Greifswald wird hierzu eine Modellstudie vorgestellt.

Sie schimmern bläulich und sind nur in der kurzen Zeit der Dämmerung sichtbar: „leuchtende Nachtwolken“. Ist ihr gehäuftes Auftreten ein Anzeichen dafür, dass sich Atmosphäre und Klima verändern? Diese Frage ist in Fachkreisen umstritten. Während der Tagung werden die neuesten Daten diskutiert.

Wie sieht die Zukunft der deutschen Raumfahrt aus? Welche Phänomene sind zur Erforschung in der Schwerelosigkeit geeignet? Wohin entwickelt sich die astrophysikalische Forschung im Weltraum? Drei Vorträge werden sich mit derlei programmatischen Fragen befassen. Zu den Rednern zählt Thomas Reiter, Vorstandsmitglied des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und ehemaliger Astronaut.

Weltraumexperimente sind gemeinhin teuer. Dass sie aber auch Kosten sparend betrieben werden können, zeigt das Projekt „Suitsat-2“: Kein Hightech-Satellit, sondern ein ausrangierter Raumanzug soll die Strahlenbelastung in der Erdumlaufbahn messen.

Ständig schleudert die Sonne elektrisch geladene Teilchen ins All. Dieser „Sonnenwind“ verdrängt das interstellare Medium, ein extrem dünnes Gas zwischen den Sternen, und formt rund um das Sonnensystem eine Art Kokon. Diese „Heliosphäre“, die gewissermaßen die Grenzen unseres Sonnensystems markiert, steht im Fokus eines Plenarvortrags. Und auch andere Aspekte der Sonnenforschung werden in Greifswald diskutiert.

Was macht einen Planeten lebensfreundlich? In Greifswald wird sich ein Fachvortrag mit dieser Frage auseinandersetzen. Gleichfalls auf der Tagesordnung: die erloschenen Vulkane des Mars, die aktiven Eisgeysire des Saturnmondes Enceladus und das Neueste von der Venus.

Das Weltall ist nahezu leer – aber eben nur fast. Die riesigen Lücken zwischen den Galaxien füllt ein extrem dünnes Plasma. Welche Rolle spielt dieses „intergalaktische Medium“ bei der Entstehung von Galaxien? Auch dieser Frage wird in Greifswald nachgegangen.

Öffentlich: Neben dem umfangreichen Fachprogramm wird es auch einen öffentlichen Abendvortrag geben. Redner ist Günther Hasinger, Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Unter dem Titel „Das Schicksal des Universums“ spricht er am 1. April im Theater Vorpommern (20:00 Uhr, Eintritt frei) von Geburt, Entwicklung und Zukunft des Kosmos.