04.10.2010

Pressemitteilung

der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Physiker: kein Schmalspur-Unterricht!

DPG-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Sandner: „Wir setzen uns für die Beibehaltung der Bildungsstandards ein, wenn nicht gar für deren Anhebung.“

Bad Honnef, 4. Oktober 2010 – Wie viel Verständnis der Naturwissenschaften und ihrer Denkmethoden gehört zur Allgemeinbildung? Sollte man den Bildungsstandard in den Schulen senken und Wissenschaft nur noch „light“ vermitteln? „Auf keinen Fall!“, so die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG). „Formeln und Abstraktion aus dem Unterricht völlig auszuklammern, mag kurzfristig opportun erscheinen“, sagt deren Präsident Professor Dr. Wolfgang Sandner, „für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit einer modernen Industriegesellschaft wäre es jedoch der falsche Weg.“ Daher müsse die Schule eher das Gegenteil vermitteln: Abstraktionsvermögen sei kein Spezialwissen, sondern unverzichtbarer Teil der Allgemeinbildung. „Wenn man Abstraktion einmal wenigstens ansatzweise gelernt hat, macht sie nicht nur Spaß“, so Sandner, „sondern erschließt unverzichtbare Möglichkeiten in der Ausbildung, im Studium, in fast allen modernen Berufen – gerade auch außerhalb der Naturwissenschaften – und im täglichen Leben. Die Vermittlung solcher Schlüsselkompetenzen darf in der Schule keine Option, sondern muss eine Selbstverständlichkeit sein.“ (Bild: S. Hofschlaeger / pixelio.de)

Die Diskussion entstand durch die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ). Deren Präsident, Professor Dr. Hans-Peter Zenner, hatte sich kürzlich für eine Änderung der Bildungsstandards ausgesprochen. Da der naturwissenschaftliche Unterricht auf viele junge Menschen abstoßend wirke, forderte Zenner für die Schule eine zusätzliche „Wissenschaft light“ mit weniger Abstraktion. Daneben solle für besonders interessierte Schülerinnen und Schüler ein hoher Standard erhalten bleiben.

Mit dem Präsidenten der GDNÄ sei man sich einig im Engagement für eine breite Allgemeinbildung im Bereich der Naturwissenschaften, betont DPG-Präsident Wolfgang Sandner. Aus diesem Anliegen ziehe die DPG jedoch andere Schlüsse. Der Physik-Unterricht müsse anschaulich sein, ohne auf das Fundament von Formeln und Abstraktion völlig zu verzichten, fordert Sandner. „Das ist zugegebenermaßen ein Spagat. Die fachliche und didaktische Kompetenz der Lehrkräfte ist hier wirklich gefragt“, gibt er zu. Hier sehe die DPG einen wichtigen Ansatzpunkt. „Wir halten es für geboten, dass Lehrkräfte bestens ausgebildet werden und sie die Chance zu regelmäßigen Fortbildungen haben. In diesem Sinne engagiert sich die DPG seit vielen Jahren im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Wir haben Vorschläge für eine Reform der Lehrerausbildung erarbeitet und bieten Fortbildungskurse für Lehrerinnen und Lehrer an.“

Hier gebe es in der Tat noch viel zu tun. Die DPG halte dies aber für den richtigen Ansatz, um den Schulunterricht attraktiver zu machen. „Der Weg zu einem Schmalspur-Unterricht in den Naturwissenschaften wäre ein Irrweg“, unterstreicht Sandner. „Die Schulbildung hat auf diesem Gebiet viel mehr Defizite statt überflüssigen Ballast. Nach unserer Überzeugung müsste man noch viel früher mit naturwissenschaftlichen Themen beginnen: nämlich bereits im Kindergarten und im Elternhaus.“