Energiespeicher

Ein Beitrag der Chemie

Vorwort

Die Energiewende in Deutschland stellt hohe Ansprüche an die Anpassungsfähigkeit des Energiesystems. Bis zum Jahre 2050 sollen die Treibhausgase gegenüber dem Stand von 1990 um 80 % bis 95 % reduziert werden. Insgesamt soll der Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 um 50 % sinken und der Bruttostromverbrauch  um 25 %. Im Verkehrssektor wird eine Senkung des Endenergiebedarfs um 40 % gegenüber 2005 angestrebt. Weiterhin wird angestrebt, den Primärenergiebedarf im Gebäudebereich um rund 80 % zu reduzieren. Diese Reduktionen sind verknüpft mit einer signifikanten Erhöhung der Energieeffizienz in allen Sektoren. Zusätzlich zu den Reduktionszielen wird eine starke Integration von erneuerbaren Energien angestrebt, die im Jahr 2050 einen Anteil von 60 % des Bruttoendenergieverbrauchs und mindestens 80 % des Bruttostromverbrauchs abdecken sollen. Diese hohe Integration erneuerbarer Energien wird einen weit reichenden Paradigmenwechsel mit sich bringen und erfordert die Akzeptanz der Gesellschaft als Ganzes, sich auf diese Veränderungen einzulassen. Eine Grundvoraussetzung für das Gelingen der Energiewende und damit für den Erhalt unseres Wohlstandes ist der Erhalt bestehender und die Schaffung neuer industrieller Arbeitsplätze durch Innovationen in vielen Technologiebereichen. Erneuerbare Energien im Stromsektor sind neben grundlastfähiger Wasserkraft und Biogas in stark steigendem Maße Wind- und Sonnenenergie. Diese Stromerzeugung ist jedoch nicht an der Nachfrage orientiert. Daher muss ein eventuell fehlendes Angebot kompensiert werden, und das System muss mit einem Überangebot umgehen können. Die Integration des bisherigen Anteils an regenerativ erzeugtem Strom von 25% (im ersten Halbjahr 2014 bereits von 30 %) und wesentlich geringere Anteile erneuerbarer Energien im Wärme und Kraftstoffsektor konnte bisher mit leichten Anpassungen und mit den vorhandenen Technologien gemeistert werden. Es ist jedoch absehbar, dass weitere Flexibilisierungsmaßnahmen ebenso wie innovative Speichermöglichkeiten im Stromsektor erforderlich sein werden, wenn der Anteil an fluktuierend eingespeistem Strom weiter ansteigt. Während Energieversorgungsnetze für einen räumlichen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage sorgen, können Energiespeicher die zeitliche Dimension adressieren. Diese Funktion muss nicht notwendigerweise in der gleichen Energieform oder mit einem einzigen Technologieelement erfüllt werden. So gewinnt man nicht nur Flexibilität, sondern diese Technologien können auch genutzt werden, um erneuerbare Energien in andere Energiebereiche wie Wärmeversorgung, Mobilität oder energieintensive Industrieprozesse zu integrieren und zeitlich begrenzte Überschüsse einer sinnvollen Verwendung zuzuführen. Technologien zur Speicherung von Strom befinden sich in verschiedenen Stadien der technischen Reife. Es sind jedoch erhebliche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen erforderlich, um die Ziele der Energiewende möglichst ohne Komfortverzicht für die Gesellschaft und zu akzeptablen Kosten für Industrie und Bevölkerung zu erreichen. Generell ist eine signifikante Erhöhung der Speicherkapazitäten für Strom wünschenswert, um temporäre Überschüsse nutzbar zu machen und die Netze zu stabilisieren; dies wird aber immer mit Investitionskosten verbunden sein. Die eigentlich naheliegende Lösung für die Anpassung der Stromerzeugung an das schwankende Angebot aus Windkraft und Photovoltaik wäre der verstärkte Einsatz von Gasturbinen, die sehr flexibel betrieben werden können; diese Option scheidet derzeit jedoch aus wirtschaftlichen Gründen aus; Ursachen sind zu niedrige erzielbare Strompreise bei gleichzeitig zu hohen Gaspreisen in Deutschland. Diese Option sollte aber in wirtschaftlichen Analysen anderer Konzepte immer als Referenzfall mit berücksichtigt werden. Während die Frage der Versorgung mit Strom und der Möglichkeiten seiner Speicherung in der öffentlichen Debatte mit Blick auf die Versorgungssicherheit bereits einen breiten Raum einnimmt, werden die anderen Energiesektoren, Wärme und Mobilität, und deren Energieversorgungssysteme bisher wenig beachtet. Insbesondere stoffliche Speicher ermöglichen jedoch prinzipiell eine starke Vernetzung der  Energieversorgungssysteme und Anwendungsbereiche unter Ausnutzung der jeweiligen spezifischen Vorteile. Wichtige Einflussgrößen für die Auswahl zukünftig einsetzbarer Technologien sind die Investitionskosten für die entsprechenden Anlagen sowie die variablen Kosten für die Beschaffung fossiler Energieträger und CO2-Zertifikate. Hinzu kommen Akzeptanz und Marktdurchdringung der Elektromobilität, wodurch sich zusätzliche Potentiale zum Umgang mit fluktuierendem Stromangebot eröffnen. Ausschlaggebend ist am Ende die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen. Die Binnensicht auf Deutschland ist dabei jedoch nicht ausreichend, da die internationale Vernetzung, zum Beispiel über das europäische Stromnetz beziehungsweise die internationale Märkte für Energieträger, bereits sehr ausgeprägt ist. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Ausbauziele der Bundesregierung von den europäischen Zielen abweichen.

 

"Studie: Energiespeicherung als Element einer sicheren Energieversorgung"
[Ausfelder et al. „Energiespeicher als Element einer sicheren Energieversorgung“; Chem. Ing. Tech. 2015, 87, No. 1–2, 17-89. DOI: 10.1002/cite.201400183]

 

⇒ Broschüre: Energiespeicher