Typischer Aufbau für Ionenfallen für einen Quantencomputer bestehend aus zwei Fallen, Spulen für Magnetfelder und einer Optik zur Steuerung. (Bild: Jürgen Eschner, Universität des Saarlandes)

Quantencomputer: Auf dem Weg zur skalierbaren Hardware

Ausgabe 41 | November 2019 | „Quantencomputer waren lange Zeit nur eine theoretische Phantasie – jetzt aber entstehen konkrete Prototypen.“ - Dieter Meschede, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft Sonderausgabe Nr. 4 zu den Quantentechnologie-Initiativen der EU und des BMBF

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  • Quantencomputer versprechen, selbst die größten
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     Supercomputer an Leistungsfähigkeit deutlich zu übertreffen und bisher unlösbare Probleme zu meistern.
  • Ein Durchbruch wären Quantencomputer mit 50 Qubits. Ihre Zustände zu beschreiben, verlangt 250 reelle Zahlen, mehr als die größten Supercomputer speichern können.
  • Dieses extrem große Informationsvolumen lässt sich allerdings nur nutzen, wenn man die empfindlichen Überlagerungszustände der Qubits beliebig koppeln kann, ohne sie zu verlieren.
  • Noch ist nicht klar, welche Hardware-Plattform sich durchsetzen wird.

Ein Quantencomputer soll eine anwendungstaugliche Maschine sein. Einerseits muss man sie wie herkömmliche Computer nutzen können, andererseits muss die Maschine intern den fragilen Gesetzen der Quantenphysik folgen.

Qubits, die Recheneinheiten der Quantencomputer, unterliegen der Quantenphysik. Qubits können beispielsweise Atome, Spins oder nanoelektronische Bauelementen sein. Als quantenmechanisches Element kann ein 5-Qubit-Register alle 25 = 32 Zahlen gleichzeitig repräsentieren, während ein 5-Bit-Register eines konventionellen Computers ausschließlich eine einzige Zahl zwischen 1 bis 32 darstellen kann (zum Prinzip des Quantencomputers siehe das Physikkonkret Nr. 29). Allerdings verlieren die Qubits ihre Quanteneigenschaften, wenn sie zu stark an ihre Umgebung koppeln. Dieses Phänomen heißt Dekohärenz. Die massive „Quantenparallelität“ erfordert allerdings hinreichende Kohärenz.

Für den Bau eines Quantencomputers bedeutet das Funktionieren in beiden „Welten“ eine Gratwanderung: Einerseits muss der Computer durch technische Eingriffe steuerbar sein, andererseits muss er gut von der Umgebung isoliert sein, um seine Quanteneigenschaften zu erhalten und damit verbundene Fehler zu vermeiden. Entscheidend wird nicht nur die Zahl der Qubits sein, sondern auch die Fähigkeit, möglichst viele von ihnen miteinander zu koppeln. Eine „magische Zahl“ für ausreichend große Quantencomputer sind 50 Qubits.

Legt man Priorität auf die Kohärenz ist es naheliegend, Atome oder andere mikroskopische Systeme als Träger der Quanteninformation zu nutzen, bei denen kohärente Quanteneffekte gut zugänglich sind. Die Herausforderung besteht darin, diese Systeme zu skalierbaren, also zu leistungsstarken Quantenrechnern zusammenzusetzen. Der prominenteste und im Augenblick erfolgreichste Kandidat dieser Art sind in elektrischen Feldern gefangene Ionen, deren Zustände mit Lasern oder Mikrowellen gesteuert werden. Diese Technologie ermöglicht bereits heute die Realisierung von Quantencomputern mit 20 und mehr Qubits.

Der komplementäre Ansatz startet mit bekannt skalierbaren integrierten Schaltkreisen und versucht, diese durch Miniaturisierung und sorgfältige Gestaltung zu kohärenten Quantenobjekten zu machen. Das sind heute vor allem supraleitende Schaltkreise: sogenannte Josephsonkontakte. Diese nutzen die Eigenschaft mancher Materialien, den elektrischen Strom bei tiefen Temperaturen verlustfrei zu leiten und Magnetfelder perfekt zu verdrängen. Die Josephsonkontakte haben eine handhabbare Größe und gute Quanteneigenschaften – auch hier wurden bereits 20 Qubits erreicht.

Gemeinsam ist beiden Plattformen, dass sie Technologien ähneln, die zur genauen Definition von Standards und präzisen Messungen genutzt werden. Bei der Ionenfalle ist das die Atomuhr und bei Josephsonkontakten der Spannungsstandard.

Auch wenn beide Plattformen sich im Augenblick ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, ist die Suche nach dem endgültigen Kandidaten für eine skalierbare Hardware noch lange nicht abgeschlossen. Daher mag die Lektüre dieser Zeilen in einigen Jahrzehnten antiquiert wirken, wie seinerzeit die Entscheidung zwischen Relais und Röhren bei klassischen Computern.


 

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft dankt Frank Wilhelm-Mauch, Universität des Saarlandes, für die wissenschaftliche Beratung.