Über Änderung der Ionenstrahlenergie und magnetische Strahlablenker (Dipole) lässt sich die Dosis präzise an die Tumorform anpassen.

Hadronen gegen Krebs

Ausgabe 42 | September 2019 | „Mit hochenergetischen Protonen und Kohlenstoffionen können wir Tumore mit höchster Zielgenauigkeit bekämpfen.“ - Dieter Meschede, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft Zum Jubiläum 50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP)

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  • Weltweit erkranken jährlich über 18 Millionen Menschen an Krebs.
  • Etwa die Hälfte der Erkrankten lässt sich derzeit heilen, oft mit einer Strahlentherapie.
  • Vielversprechende Erfolge weisen Therapien mit Protonen oder Kohlenstoffionen auf.

Ziel der Strahlentherapie ist es, Tumorzellen zu töten – möglichst ohne das umgebende gesunde Gewebe zu belasten. Für inoperable, tiefsitzende Tumore, die sich in der Nähe empfindlicher Organe befinden, bietet sich dafür zunehmend die Behandlung mit hochenergetischen Ionen an. Das sind geladene Atome wie Kohlenstoffionen (12C6+) oder Protonen (H+), die zur Familie der Hadronen gezählt werden. Im Gegensatz zu Röntgen- oder Gammastrahlen deponieren die Ionen den größten Teil ihrer zerstörerischen Energie in einem eng begrenzten Gebiet am Ende ihrer Flugbahn, dem sog. Bragg-Peak (Abb. 1). Damit können Ärzte mit modernster Technologie wie dem an der GSI Darmstadt entwickelten Rasterscanning-Verfahren (Abb. 2) punktgenau auf den Tumor zielen und die Dosis nahezu perfekt an das Volumen des Tumors anpassen. Besonders gut gelingt dies mit Kohlenstoffionen: sie haben einen besonders scharfen BraggPeak und streuen seitlich nur gering. Die hohe Ionisationsdichte der Kohlenstoffionen bewirkt zudem eine starke biologische Wirksamkeit, was insbesondere für Tumore relevant ist, die sich nur schwer mit Röntgen- oder Gammastrahlen behandeln lassen.

Noch ist die Zahl der mit Hadronen behandelten Patienten mit bislang weltweit insgesamt etwa 200.000 (davon 75 % mit Protonen) gering. Denn Anlagen für die Ionenstrahltherapie sind teurer und technologisch anspruchsvoller als die für eine konventionelle Strahlentherapie mit Röntgen- oder Gammastrahlen oder Elektronen. Gegenwärtig sind weltweit über 70 Protonenzentren im klinischen Betrieb, etwa noch einmal genauso viele sind in Planung oder im Bau. Einrichtungen für schwerere Ionen sind wegen der noch höheren Anforderungen seltener: Weltweit existieren elf klinische Einrichtungen für die 12C-Ionentherapie, alle in Europa und Asien gelegen. Davon befinden sich zwei in Deutschland (in Heidelberg und Marburg), die auf den Pionierarbeiten der GSI Darmstadt aufbauen. In Heidelberg werden zudem Helium und Sauerstoffionen erprobt.

Für die Zukunft sind weitere erhebliche technologische Fortschritte zu erwarten. Auf der einen Seite geht es dabei um kompaktere und kostengünstigere Beschleunigersysteme, zum Beispiel um supraleitende Protonenbeschleuniger wie Synchro-Zyklotrone, die nur ein bis zwei Meter Durchmesser haben und damit in fast jede Klinik passen. Zum anderen arbeiten Physikerinnen und Physiker intensiv daran, die Präzision der Bestrahlung zu erhöhen, beispielsweise durch genauere Algorithmen zur Planung der Bestrahlung sowie durch eine verbesserte Bildgebung sowohl der Patientenanatomie (zum Beispiel durch röntgen- oder sogar ionenbasierte Tomographie) als auch des Therapiestrahls (durch Detektion sekundärer Emissionen, z.B. durch prompte Gammastrahlen von angeregten Kernen).

All diese Technologien haben eines zum Ziel: die Heilungschancen bei Krebs zu erhöhen.


 

Quellen:

1. Das Physikkonkret basiert auf einem Artikel von Katia Parodi und Walter Assmann, erschienen im Physik Journal vom Juni 2019, S. 35ff. https://www.pro-physik.de/restricted-files/134161

2. Grafiken: Physik Journal

 

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft dankt der Vize-Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik, Prof. Dr. Katia Parodi vom Lehrstuhl für Medizinische Physik der Ludwig-Maximilians-Universität München/Garching für die wissenschaftliche Beratung