Die Umlaufbahnen von Sternen in unmittelbarer Umgebung des galaktischen Zentrums sind nur durch die Existenz eines massiven schwarzen Lochs zu erklären. Foto: ©Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik, Garching

Physik-Nobelpreis für den Nachweis des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße

Ausgabe 55 | Dezember 2020 | „Schwarze Löcher und die dahinter steckende Physik gehören zu den spannendsten Rätseln, die das Universum zu bieten hat.“ Lutz Schröter, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

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  • Schwarze Löcher existieren und sind keine Seltenheit im Kosmos.
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  • Der Nachweis gelang indirekt über die Schwerewirkung.
  • Schwarze Löcher verschlingen selbst Licht, stellen für uns aber keine Gefahr dar.

Im Zentrum unserer Milchstraße befindet sich ein Schwarzes Loch. Lange war dies nur eine Vermutung, inzwischen ist es aber sicher. Für den Nachweis des Schwarzen Lochs erhielten Andrea Ghez von der University of California und Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik, Garching, im Jahr 2020 den Nobelpreis für Physik. Sie teilen ihn sich mit dem britischen Forscher Roger Penrose von der University of Oxford für dessen theoretische Vorhersagen.

Genzel und Ghez entwickelten Methoden, um durch die Wolken aus interstellarem Gas und Staub bis ins Zentrum der Milchstraße zu blicken, das rund 26.000 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild Sagittarius (Schütze) liegt. Die Kombination aus Infrarotastronomie und adaptiver Optik, die den Einfluss der Erdatmosphäre reduziert, ermöglicht präzise Beobachtungen des galaktischen Zentrums. Genzels Team verwendete die Teleskope der Europäischen Südsternwarte in Chile, das Team von Ghez die Keck-Teleskope auf Hawaii. Mit großer Genauigkeit kartierten die Forscherteams über Jahrzehnte die Bahnen der Sterne, die der Mitte der Milchstraße am nächsten liegen und mit schwindelerregender Geschwindigkeit ein extrem schweres, unsichtbares Objekt ein Schwarzes Loch – umkreisen (siehe Physikkonkret Nr. 23 vom Juli 20151 ). Sie konnten zeigen, dass es eine Masse von rund vier Millionen Sonnenmassen hat, aber in einer Region zusammengepackt ist, die nicht größer ist als unser Sonnensystem. Ihre Pionierarbeit lieferte damit den bisher überzeugendsten Beweis für ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße, denn keine andere denkbare Konstellation bekannter Materieformen kann eine solche Schwerkraftwirkung hervorrufen und über längere Zeit stabil sein.

Roger Penrose entwickelte eigens mathematische Methoden, um zu beweisen, dass Schwarze Löcher eine direkte Folge der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein sind. Im Jahr 1965, zehn Jahre nach Einsteins Tod, bewies Penrose, dass Schwarze Löcher wirklich entstehen können. Sie sind mathematisch gesehen Singularitäten, in denen alle uns bekannten Naturgesetze in sich zusammenbrechen.

Die Astronomen gehen davon aus, dass in den meisten Galaxien supermassive Schwarze Löcher sitzen, die im Laufe der Zeit immer mehr Materie aufsaugen. Aber selbst Schwarze Löcher verdampfen über extrem lange Zeiträume allmählich. Denn nach der Theorie des britischen Physikers Stephen Hawking müssen Schwarze Löcher eine minimale Strahlung abgeben. Die Lebensdauer eines Schwarzen Lochs ist allerdings deutlich größer als das bisherige Alter des Universums von rund 14 Milliarden Jahren – für das Schwarze Loch im Milchstraßenzentrum ist es eine Zahl an Jahren mit 87 Stellen.

Angst zu haben braucht niemand vor dem Schwarzen Loch: Wäre beispielsweise die Sonne ein Schwarzes Loch, so würden sich alle Planeten so weiterdrehen wie bisher – es wäre dann allerdings lebensfeindlich dunkel und kalt auf der Erde. Nur Gas in der unmittelbaren Nähe eines Schwarzen Lochs kann durch Reibung Drehimpuls verlieren, es wird dann zunächst beschleunigt und aufgeheizt, bevor es schließlich in das Schwarze Loch stürzt. Ein Bild davon ging kürzlich um die Welt.

 


Fußnoten

1. dpg-physik.de/veroeffentlichungen/publikationen/physikkonkret/scharfer-infrarotblick-auf-dasschwarze-loch-im-zentrum-der-milchstrasse „Schwarze Löcher und die dahinter steckende Physik gehören zu den spannendsten Rätseln, die das Universum zu bieten hat.“ Lutz Schröter, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

 

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft gratuliert ihrem Mitglied Reinhard Genzel zum Nobelpreis für Physik und dankt ihm und seinem Team vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik, Garching, für die wissenschaftliche Beratung.