Stellaratoren und Tokamaks (im Bild die Innenansicht von ASDEX Upgrade am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching bei München) konnten bereits wesentliche Eigenschaften nachweisen, die für die Entwicklung zu einem Kraftwerk notwendig sind. Erfolge bei der Trägheitsfusion sowie das Engagement privater Firmen geben der Fusionsforschung zusätzlichen Schwung. Bild: MPI für Plasmaphysik / Jan Hosan

Fusionsforschung – Quo vadis?

Ausgabe 67 | Juli 2023| „Kernfusion, ein spannendes und dynamisches Forschungsgebiet, wird wohl nicht vor Ende der 30er Jahre großtechnisch demonstriert werden können!“ - Joachim Ullrich (DPG-Präsident)

Download: Physikkonkret 67 - Fusionsforschung – Quo vadis? [PDF]

  • Ende 2022 meldeten US-Wissenschaftler einen großen Erfolg bei der Erforschung der Trägheitsfusion.
  • Warum die Magnetfusion auf dem Weg zum Kraftwerk dennoch deutlich fortgeschrittener ist.
  • Welche Rolle spielen dabei private Unternehmen?

Angesichts der Diskussionen um die zukünftige Energieversorgung ist die Fusionsforschung wieder vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Kein Wunder: Fusionskraftwerke sind inhärent sicher und strahlende Abfälle bauen sich im Vergleich zur Kernspaltung relativ schnell ab. Die favorisierten Brennstoffe sind Deuterium und Tritium, das während des Prozesses aus Lithium erzeugt werden soll. Ein Fusionskraftwerk mit einer elektrischen Leistung von einem Gigawatt würde hiervon nur circa ein Kilogramm am Tag benötigen – ein Kohlekraftwerk braucht dafür 10.000 Tonnen Kohle.

Das am weitesten entwickelte Konzept zur Realisierung von Fusionsenergie beruht auf dem magnetischen Einschluss heißer Plasmen –kurz Magnetfusion. Die heutigen Experimente kommen schon sehr nahe an die Bedingungen, die notwendig sind, um eine positive Leistungsbilanz zu erzielen. Zuletzt hat das europäische Fusionsexperiment JET eine Bestmarke aufgestellt, was die Freisetzung an Energie aus einem stabilen Plasma angeht.1 Das in Südfrankreich im Bau befindliche internationale Projekt ITER soll erstmalig ab 2035 mehr Energie liefern als für die Heizung des Plasmas notwendig ist2.

Ergänzend zu diesen Tokamak genannten Konfigurationen werden Stellaratoren untersucht. Sie stellen eine Variante des magnetischen Einschlusses dar und versprechen günstigere Kraftwerkseigenschaften3. Weltweit führend ist der Wendelstein 7-X in Greifswald. Er konnte bereits in der ersten Betriebsphase wesentliche Eigenschaften nachweisen, die für die Entwicklung zu einem Energiesystem notwendig sind4. Wendelstein 7-X ist in der Lage, Hochleistungsplasmen im Bereich mehrere Megawatt Heizleistung über viele Minuten zu betreiben, ein Meilenstein in Richtung eines stationären Betriebs5.

Eine Alternative zum magnetischen Einschluss ist die Trägheitsfusion. Diese beruht auf der extremen Kompression Millimeter großer Pellets mit Hilfe intensiver Laserstrahlen, um so hohe Plasmatemperaturen und -dichten zu erreichen. Die Kompression muss sehr symmetrisch und innerhalb weniger Nanosekunden6 erfolgen. Letztlich handelt es sich hierbei um winzige nukleare Explosionen, weswegen die Forschung auch stark militärisch motiviert ist. In der National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL)7 konnte Ende 2022 nach über zehn Jahren Entwicklung zum ersten Mal ein Pellet gezündet und eine Selbstverstärkung der eingekoppelten Laserenergie erreicht werden8.

Während dies einen wichtigen Meilenstein darstellt, gibt es bisher für viele technische Fragen auf dem Weg zum Kraftwerk nur konzeptionelle Ansätze. Z. B. müssten durchgehend viele Pellets pro Sekunde gezündet werden– zurzeit ist es etwa ein Pellet pro Tag. Außerdem wird zur Erzeugung der Laserstrahlen sehr viel Energie benötigt, so dass insgesamt etwa hundert Mal mehr Energie aufgewandt wurde als gewonnen.

Bei der Magnetfusion sind die wesentlichen technologischen Schritte dagegen bereits von Anfang an Teil der Entwicklung. Beispiele sind die supraleitenden Spulen oder die Wärmeabfuhr aus dem Plasma. Im Rahmen des Konsortiums EUROfusion9 besitzt Europa ein umfassendes Programm, welches sich mit der Entwicklung dieser Technologien beschäftigt, die für ein Demonstrationskraftwerk notwendig sind, das in den späten 2030er Jahren laufen könnte.

Inzwischen machen auch privat finanzierte Firmen zur Entwicklung von Fusionskonzepten von sich reden. Sie greifen dabei auf eine breite wissenschaftliche und technologische Basis zurück, die weltweit in den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet wurde. Neu an ihrer Vorgehensweise sind zum Teil sehr kühne Entwicklungspläne und das Einbinden oft weniger erprobter Technologien. Ob die privaten Firmen ihre Versprechen werden halten können, bleibt abzusehen. Klar ist: Der Bau erster Demonstrationsanlagen wird auf jeden Fall in enger Zusammenarbeit mit der Industrie erfolgen müssen.

Der favorisierte Brennstoff für eine mögliche Energiegewinnung besteht aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium. Diese Fusionsreaktion besitzt den höchsten Wirkungsquerschnitt. Das radioaktive Tritium muss aber aus den in der Fusionsreaktion entstehenden Neutronen und Lithium erbrütet werden. Der Vorteil ist, dass Tritium in einem geschlossenen Kreislauf erzeugt und gleich wieder verbraucht wird. Bild: MPI für Plasmaphysik / Jan Hosan


Fußnoten

1. https://www.mpg.de/18239857/kernfusion-jet-welt-rekord, Nature 602, 371 (2022) doi: https://doi.org/10.1038/d41586-022-00391-1

2. https://www.iter.org/

3. Siehe Physikkonkret Nr. 51 (https://www.dpg-physik.de/veroeffentlichungen/publikationen/physik-konkret/pix/pk-51-2020_fusion_2020-08-26_web.pdf)

4. Beidler, C.D., Smith, H.M., Alonso, A. et al. Demonstration of reduced neoclassical energy transport in Wendelstein 7-X. Nature 596, 221–226 (2021). https://doi.org/10.1038/s41586-021-03687-w

5. https://www.ipp.mpg.de/5322014/01_23

6. Eine Nanosekunde ist der milliardste Teil einer Sekunde

7. https://lasers.llnl.gov/

8. https://www.llnl.gov/news/lawrence-livermore-national-laboratory-achieves-fusion-ignition

9. https://euro-fusion.org/

 

Die DPG dankt ihrem Autor Robert Wolf vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) aus Greifswald und Garching bei München.