Aufnahme eines Teleskops am Lowell Observatory in Arizona, USA. Die Spuren stammen von Satelliten, die das Sichtfeld des Teleskops in einer einzigen Nacht passierten. (© Victoria Girgis/Lowell Observatory)

Kommerzielle Satelliten gefährden die Radioastronomie

Ausgabe 68 | August 2023 | „Störstrahlung von Satelliten gefährdet höchstsensible astronomische Messungen und sollte dringend besser reguliert werden.“ - Joachim Ullrich (DPG-Präsident)

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  • Die Nutzung des elektromagnetischen Spektrums für die Kommunikation ist international sehr gut geregelt.
  • Dies gilt nicht für unbeabsichtigt ausgesandte Radiowellen von Satelliten.
  • Mit dem LOFAR Radioteleskop erfolgte nun erstmalig eine systematische Untersuchung dieser Strahlung und deren Einfluss auf die Erforschung des Alls.
  • Astronomen fordern nun bessere Regularien zum Schutz ihrer Messungen.

Die Anzahl von meist kommerziellen Satelliten, insbesondere auf erdnahen Umlaufbahnen, nimmt in jüngster Zeit besorgniserregend zu. Die damit einhergehende wachsende Nutzung von Radiofrequenzen für die Kommunikation, für Rundfunk und Fernsehen, für zivile und militärische Radare u.v.m. stellt, neben der Gefahr von Kollisionen nicht zuletzt mit „Satellitenschrott“, zunehmend eine Herausforderung für die Erforschung des Universums dar.

Denn alle nutzen für die Kommunikation ein jeweils wohldefiniertes „Fenster“ des elektromagnetischen Spektrums. Das ist von der Internationalen Fernmeldeunion genau reguliert. Darüber wachen nationale Regulierungsbehörden – in Deutschland vergibt die Bundesnetzagentur die notwendigen Lizenzen. Auch für wissenschaftliche Anwendungen sind Teile des Spektrums vorgesehen, so etwa für die Radioastronomie. Auf einigen dieser Frequenzen ist die aktive Funkaussendung sogar verboten. Das trifft beispielsweise auf den Bereich um ν = 1420 MHz1 zu, wo der atomare neutrale Wasserstoff nach λ = c/ν (c: Lichtgeschwindigkeit) die berühmte Linie bei der Wellenlänge λ = 21 cm abstrahlt. Wasserstoff ist letztlich der Baustein aus dem neue Sterne gebildet werden und bildet die Basis des kosmischen Lebenszyklus. Entsprechend ist seine Erforschung für die Wissenschaft von fundamentaler Bedeutung.

Doch leider strahlt jedes elektrische respektive elektronische Gerät auch Störsignale (sogenannte Leckstrahlung) aus, sofern diese nicht abgeschirmt werden. So können zum Beispiel hohe Spannungen zu Funkenbildung führen, die Radiowellen erzeugen. Sogar Leiterbahnen auf Platinen können ungewollt als Antennen fungieren. Für nahezu alle am Markt befindlichen Geräte muss daher im Vorfeld die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) nachgewiesen werden, was bedeutet, dass die Störsignale gewisse Grenzwerte nicht überschreiten dürfen.

Für Satelliten gibt es ebenfalls EMV-Standards. Diese zielen aber nur darauf ab, dass sich einzelne Komponenten innerhalb eines Satelliten nicht gegenseitig stören. Radioastronomen konnten nun zeigen, dass die Leckstrahlung von Satelliten negative Auswirkungen auf ihre hochempfindlichen Messungen haben könnten. Europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mit dem LOFAR-Radioteleskop2 störende Strahlung der SpaceX/Starlink-Satelliten­konstellation3 nachgewiesen. Starlink sendet eigentlich bei Frequenzen zwischen 10,9 und 12,7 GHz Nutzsignale aus. Die nun gefundene Strahlung wurde aber bei Frequenzen zwischen 110 und 188 MHz beobachtet und kann damit unter anderem Messungen sogenannter Pulsare4 aber auch Beobachtung von Galaxien und deren Magnetfeldern beeinträchtigen. Deswegen bereitet die hohe Zahl an geplanten Satelliten den Forschenden Kopfschmerzen. Insbesondere für Messungen, die Daten über viele Jahre sammeln, um winzige statistische Effekte zu finden, ist der Umgang mit den Störungen extrem schwierig.

Damit die Radioastronomie auch in Zukunft möglichst störungsfrei arbeiten kann, sind daher rasch entsprechende Regulierungen zu treffen. Zeitgleich sind technische Maßnahmen zu entwickeln, um die Situation zu verbessern. Gerade SpaceX ist da in der Vergangenheit mit gutem Beispiel vorangegangen. Nur so kann die erdgebundene Radioastronomie weiterhin wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie das Universum entstanden ist und was es „im Innersten“ zusammenhält.

 


Fußnoten und Quellen
  1. Ein Megahertz (MHz) entspricht einer Millionen Schwingungen pro Sekunde; ein Gigahertz (GHz) einer Milliarde Schwingungen
  2. Das „Low Frequency Array” (LOFAR) ist ein europäisches Radioteleskop. Es besteht aus über 10.000 kleinen Einzelantennen in mehreren Staaten und arbeitet in dem bisher wenig erforschten Frequenzbereich zwischen etwa 10 MHz und 240 MHz. https://www.astron.nl/telescopes/lofar/
  3. Starlink ist ein von dem US-Raumfahrtunternehmen SpaceX betriebenes Satellitennetzwerk, das seit 2020 weltweiten Internetzugang bietet. Mit über 3500 aktiven Satelliten ist SpaceX der mit Abstand größte Satellitenbetreiber weltweit. Geplant sind weitere rund 40.000 Satelliten in den Orbit zu schießen. https://www.starlink.com/
  4. Ein Pulsar ist ein schnell rotierender Stern, der ausschließlich aus Neutronen besteht. Neutronen sind die elektrisch neutralen Teilchen in Atomkernen.

Zentrum für den Schutz des Nachthimmels vor den Auswirkungen von Satellitenkonstellationen (CPS) https://cps.iau.org/).


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