Die Anzahl der Objekte in erdnahen Orbits steigt stetig an [11]. Auf diesen Umlaufbahnen befinden sich die meisten Objekte im Weltraum, darunter auch häufig Satelliten und Raumstationen. Datenqelle: European Space Agency (ESA) [12], Stand: Juni 2024

Weltraumschrott: Gefahr für die nachhaltige Nutzung des Weltraums

Ausgabe 72 | Juli 2024 | „Die nachhaltige Nutzung des Weltraums erfordert eine verbesserte Kenntnis der Situation im All, neue internationale Nutzungsregeln und die Entwicklung von Technologien zur Reduktion von Weltraumschrott.“ - Klaus Richter (DPG-Präsident)

Download: Physikkonkret 72 - Weltraumschrott: Gefahr für die nachhaltige Nutzung des Weltraums [PDF]

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    Kommunikations- und Erdbeobachtungssatelliten in erdnahen Orbits sind von großer Bedeutung für unser alltägliches Leben.
  • Die Zahl der Satelliten und Schrottobjekte in diesen Orbits nimmt rapide zu. Derzeit gibt es geschätzt ca. 40.000 Schrottobjekte, die größer als 10 cm sind.
  • Kollisionen können die Zahl der Schrottobjekte exponentiell erhöhen.

Seit dem ersten von Menschen ins All geschickten Sputnik-Satelliten 1957 hat die Nutzung des Weltalls stark zugenommen. Heute sind Satellitendienste für Kommunikation, Navigation, Wettervorhersagen und Erdbeobachtung unentbehrlich. Es befinden sich ca. 10.000 aktive Satelliten in erdnahen Umlaufbahnen (400 – 2.000 km Höhe). Durch Megakonstellationen1 hat sich ihre Anzahl in den letzten drei Jahren stark erhöht. Ein Nebeneffekt ist Weltraumschrott: Raketenoberstufen und ausgediente Satelliten kreisen weiter um die Erde und fragmentieren. Die Verweildauer dieser Objekte beträgt je nach Bahnhöhe mehrere Hundert Jahre, bevor sie in der Erdatmosphäre verglühen. Aktuell gibt es geschätzt 40.000 Schrottobjekte größer als 10 cm und ca. eine Million Objekte größer als 1 cm. Diese können bei Kollisionen aktive Satelliten zerstören, da sie sich mit enormen Geschwindigkeiten bewegen.

In einigen Orbithöhen, z. B. solchen, die für die Erdbeobachtung wichtig sind, droht durch Kollisionen ein exponentielles Wachstum der Anzahl der Schrottobjekte, bekannt als Kessler-Syndrom2. Deswegen wird der Betrieb von Satelliten aufwändiger: Alle Objekte größer als 10 cm müssen überwacht und die Bahndaten regelmäßig neu bestimmt werden, um Kollisionen zu vermeiden. In Deutschland ist das Weltraumlagezentrum3 dafür verantwortlich. Es gibt auch Warnungen heraus vor möglichen Trümmerauftritten auf der Erde. Zuletzt traf Ende März 2024 ein Trümmerteil ein Haus in Florida4.

Für eine nachhaltige Nutzung des Weltraums müssen drei große Themenfelder adressiert werden:

Datenlage: Die Erfassung aller Objekte im Weltraum muss verbessert werden. Dies erfolgt durch Radarstationen5 und (laser-)optische Sensoren6. Ein aktueller Gesamtkatalog erfordert internationale Zusammenarbeit.

Allgemeingültige Regelungen: Die Vorschriften zur Nutzung des Weltraums müssen den aktuellen Entwicklungen angepasst werden. Beispielsweise sollten inaktive Satelliten innerhalb von fünf Jahren aus dem Orbit entfernt werden.  Die ESA mit dem Clean Space Programm7 und die UN mit dem UN-COPUOS Programm8 sind in diesem Bereich Vorreiter.

Schrottreduktion: Verfahren zur Reduktion von Weltraumschrott müssen entwickelt und getestet werden. Hierbei wird zwischen dem Entfernen großer Objekte mittels unbemannter Satellitenmissionen9 und Methoden für kleinere Objekte unterschieden. Eine neue NASA-Studie untersucht die Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit verschiedener Methoden10, wobei das Abbremsen von Objekten mithilfe von Lasern besonders vielversprechend ist. Deutschland hat in diesem Bereich großes Potenzial dank seiner hervorragenden Forschungsinstitute und der Industrie im Bereich der Lasertechnik.

 


Fußnoten und Quellen:

  1. Megakonstellationen bestehen aus einigen 1.000 Satelliten, die in einer definierten Bahnhöhe kreisen und für Kommunikationszwecke wie satellitengestützte Internetverbindungen genutzt werden. Bereits im Orbit befindliche Beispiele sind Starlink oder OneWeb, weitere mit mehr als 10.000 Satelliten sind in Planung. Die von diesen Satelliten ausgesandten Funksignale stören bereits die Radioastronomie, siehe Physikkonkret Nr. 68.
  2. Donald Kessler et al. „Collision frequency of artificial satellites: The creation of a debris belt”, Journal of Geophysical Research 83, 2637-2646 (1978).
  3. Das Weltraumlagezentrum in Uedem wird gemeinsam vom Weltraumkommando der Bundeswehr und der Raumfahrtagentur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR e. V.) betrieben und ist für den Schutz der deutschen zivilen und militärischen Satelliten verantwortlich. Neben der Beobachtung der Weltraumlage ist es auch für Warnungen beim Wiedereintritt von Objekten und für die Beobachtung des Weltraumwetters zuständig.
  4. https://www.space.com/object-crash-florida-home-iss-space-junk-nasa-confirms
  5. Das von Fraunhofer FHR entwickelte German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar (GESTRA) ist ein neues Radarsystem zur Überwachung der Weltraumlage, https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2023/04/gestra-vollstaendige-betriebsdemonstration-geglueckt
  6. Das Institut für Technische Physik des DLR betreibt in Empfingen das größte europäische Teleskop zur Charakterisierung von Weltraumschrott, https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2022/03/20220720_dlr-weiht-johannes-kepler-observatorium-ein
  7. ESA Clean Space, https://www.esa.int/Space_Safety/Clean_Space/The_Challenge
  8. United Nations Office for Outer Space Afffairs (UNOOSA), https://www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/topics/space-debris/index.html
  9. ESA Clearspance Mission, Launchdatum 2026, https://www.esa.int/Space_Safety/ClearSpace-1
  10. NASA Studie „Cost and Benefit of Orbital Debris Remedation“, 2023, https://www.nasa.gov/wp-content/uploads/2023/03/otps_-_cost_and_benefit_analysis_of_orbital_debris_remediation_-_final.pdf
  11. Objekte im erdnahen Orbit, Datenquelle: United States Space Force (2023), https://ourworldindata.org/grapher/low-earth-orbits-objects
  12. ESA - Space Environment Statistics, https://sdup.esoc.esa.int/discosweb/statistics/

 

Die DPG dankt ihrem Autor Prof. Thomas Dekorsy vom DLR-Institut für Technische Physik in Stuttgart.