125 Jahre Röntgenstrahlung
Ausgabe 44 | März 2020 | Weder Röntgen noch sonst jemand konnte vor 125 Jahren wirklich erahnen, welche Verbreitung seine Zufallsentdeckung finden und welchen Segen sie den Menschen bringen würde.“ Dieter Meschede, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
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- Zufällig entdeckt, entwickelte sich die Röntgenstrahlung zu einem überaus mächtigen Instrument – nicht nur für die Medizin, sondern ebenso für die Werkstoffwissenschaften oder die Röntgenastronomie.
- Röntgen-Apparate stehen heute in zahllosen Praxen und Kliniken.
- Große Beschleuniger als Quellen für Röntgenlicht erlauben tiefe Einblicke in die Struktur von Biomolekülen. Sie helfen damit unter anderem bei der Medikamentenentwicklung.
Bei Arbeiten in seinem Laboratorium im Physikalischen Institut der Universität Würzburg entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen (*27. März 1845 bei Remscheid; †10. Februar 1923 in München) am 8. November 1895 durch Zufall, dass Kristalle, die unter seiner Entladungsröhre lagen, anfingen zu fluoreszieren, selbst dann wenn er das Licht der Röhre mit einem schwarzen Karton abdeckte. Er schloss daraus, dass ein unsichtbares „Licht“ aus der Röhre den Karton durchdringen konnte. Er nannte es „X-Strahlen“. Wenige Monate intensiven Forschens genügten Röntgen, um die wesentlichen Eigenschaften dieser neuen Art von Strahlung zu beschreiben. Dafür bekam er 1901 den ersten Physiknobelpreis überhaupt. Heute kennt jeder die „X-Strahlen“ als Röntgenstrahlung. Sie ist eines der wichtigsten Instrumente der medizinischen Diagnostik und Therapie. Röntgenstrahlung eignet sich aber ebenso zur zerstörungsfreien Material Prüfung sowie zur Analyse kristalliner Strukturen bis hin zu komplexen Biomolekülen mit wichtigen Anwendungen bei der Entwicklung neuer Medikamente. Das ist beispielsweise ein Schwerpunkt der Forschung mit dem Europäischen Röntgenlaser XFEL in Hamburg.
Mit modernen Röntgenröhren ist heute eine schnelle Bildgebung in der medizinischen Röntgendiagnostik möglich, die beispielsweise bei der Darstellung von Bewegungsabläufen im Körper zur Echtzeit-Kontrolle bei operativen Eingriffen genutzt wird. Auf höchstem Stand der technischen Entwicklung sind digitale Halbleiter-Flächendetektoren zur Bilderfassung, die auch eine Berechnung der 3D-Darstellung der Patientenanatomie ermöglicht. Solche Detektoren finden beispielsweise in der Diagnostik und Therapie von Schlaganfällen und Herzinfarkten Anwendung. Die neueste Generation von Röntgendetektoren misst gar die Energie einzelner Röntgenphotonen [1], die im Halbleiter proportional elektrische Ladungen freisetzen. Diese Technik ermöglicht sehr kleine Detektorpixel von bis zu 50 x 50 µm² und damit eine außerordentlich hohe Auflösung, wie sie z. B. für Mammographie-Röntgenbilder nötig ist. Entscheidend ist dabei, eine möglichst gute Bildqualität bei tunlichst geringer Strahlendosis zu erreichen. Bei Computertomographen (CT) gelingt dies vorbildlich durch Verwendung ausgeklügelter iterativer Rechenalgorithmen. Mit Detektoren, die die Energie der Röntgenphotonen messen, lässt sich durch Energieschwellwerte im Detektor das Rauschen leichter unterdrücken.
Außerdem können so in einem einzigen CT-Scan kontrastreiche Bilder mit Photonen unterschiedlicher Energie aufgenommen werden, um verschiedene Gewebe noch besser differenzieren zu können. Klinische Studien an CT-Prototypen mit Detektoren, wie sie z. B. am CERN entwickelt wurden [2] sind überaus vielversprechend
[3]. Der Erfolg der Röntgentechnologie veranschaulicht in eindrücklicher Weise, wie wichtig die Grundlagenforschung für technische Entwicklungen zum Wohle des Menschen sein kann.
Fußnoten
1. Tagucchi K., Iwanczyk, J. Vision 20/20: Single photon counting x-ray detectors in medical imaging, Med. Phys. 2013, 40 100901-1(2013); https://aapm.onlinelibrary.wiley. com/doi/full/10.1118/1.4820371
2. http://medipix.web.cern.ch/news/first-3d-colour-x-rayhuman-using-cern-technology
3. Symons, R. Et al. Feasability of dose-reduced chest CT with photon counting detectors: Initial Results in Humans, Radiology, 285, 980 (2017); https://pubs.rsna.org/ doi/10.1148/radiol.2017162587
Die DPG dankt dem Leiter des Röntgen-Museums RemscheidLennep, Dr. Uwe Busch, und der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Physik und Technik in der bildgebenden Diagnostik
der Röntgengesellschaft, Dr. Kerstin Jungnickel, Magdeburg,
sowie Prof. Dr. Markus Buchgeister von der Beuth Hochschule
für Technik Berlin für die wissenschaftliche Beratung.