Bildzitat: M. Spiewak, Die Schule brennt, Leitartikel in: DIE ZEIT 5/2023 vom 26.01.2023

Das Lehramtsstudium Physik in Deutschland

Zwei großangelegte Umfragen unter 48 Physik-Fachbereichen und mehr als 1.000 Lehramtsstudent:innen bilden die Basis dieser empirisch angelegten Studie. Sie stellt die Situation des Lehramtsstudiums Physik dar und will so eine Basis für die Diskussion über die künftige Gestaltung von Lehramtsstudiengängen bieten.

⇒ Studie: Das Lehramtsstudium Physik in Deutschland [PDF]

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Hintergründe der Studie

An Deutschlands Schulen herrscht ein eklatanter Mangel an Lehrkräften. Besonders dramatisch stellt sich die Lage für das Fach Physik dar. Das ist fatal, denn unsere Gesellschaft ist auf gute Bildung angewiesen, gerade auch im Fach Physik.

Physik ist die grundlegende Naturwissenschaft, auf ihr beruhen unzählige technologischen Entwicklungen, sie ist die Basis unseres Weltverständnisses und bedeutsam für die Bewältigung vieler aktueller Krisen, wie dem Klimawandel.

Lehrkräfte, die als Quer- oder Seiteneinsteiger Physik unterrichten, können temporär und punktuell Entlastung bringen, aber sie bieten keine nachhaltige Lösung des Problems.

Das selbstverständliche Ziel muss sein, dass die Hochschulen und Studienseminare genügend neue Lehrkräfte für die Schulen ausbilden und angemessen auf ihren anspruchsvollen Beruf vorbereiten. Damit gerät das Lehramtsstudium Physik in den Fokus.

Um die Diskussion über die Zukunft des Lehramtsstudiums auf eine belastbare Basis zu stellen, hat die DPG nun eine Studie über die Situation des Lehramtsstudiums Physik veröffentlicht. Diese baut auf zwei Umfragen auf, an denen sich die Fachbereiche Physik von 48 Hochschulen und über 1.000 Lehramtsstudierende beteiligt haben. Damit liegt eine in dieser Breite wohl noch nie dagewesene Bestandsaufnahme zum Lehramtsstudium vor.

 

Fakten zu Studierenden

In Deutschland gibt es 59 universitäre Fachbereiche Physik. An etwa 80 % dieser Fachbereiche kann man Physik als Lehramt studieren. Jährlich schreiben sich etwa 2.000 Studierende in einen Lehramtsstudiengang Physik ein, wovon ca. 40 % weiblich sind.

Auch an Universitäten mit vergleichsweise vielen Lehramtsstudierenden gibt es kaum mehr als 20 Studierende pro Jahrgang. Die Abbrecherquote ist durchgängig hoch. Rund 75 Prozent der Eingeschriebenen schließen das Lehramtsstudium nicht ab.

Die Zahl der Abschlüsse ist seit 10 Jahren stabil, wohingegen die Zahl der Einschreibungen zuletzt eine abnehmende Tendenz zeigt.

Die tatsächliche Studiendauer im Lehramtsstudium ist vergleichbar mit derjenigen im Physikfachstudium. Die Absolvent:innen von Physiklehramtsstudiengängen sind im Vergleich zu den Absolvent:innen von Physikstudiengängen jedoch älter.

Ein Wechsel zwischen Lehramts- und Fachstudium findet selten statt, obwohl er von den Fachbereichen als gut möglich angesehen wird.

 

Motivation und Wünsche von Studierenden

Der meistgenannte Grund, ein Physiklehramtsstudium zu beginnen, ist der Wunsch, Physiklehrer:in zu werden. Als intrinsischen Motivation wird von den Studierenden der eigene frühere Physikunterricht angegeben.

Der aktuell vorherrschende Lehrkäftemangel im Fach Physik legt daher eine verstärkende Wirkung auf die abnehmende Studierendenanzahl im Physiklehramt nahe.

Das Physiklehramtsstudium ist ein Zwei-Fächer-Lehramtsstudium. Die häufigsten Fächerkombinationen sind Physik mit Mathematik bei der Hälfte der Studierenden. Ein weiteres Viertel studiert Physik in Kombination mit einer anderen Naturwissenschaft.

Der am häufigsten geäußerte Wunsch für eine Verbesserung des Lehramtsstudium ist ein stärkerer Schulbezug. Positiv genannt werden beispielsweise Demonstrationslabore, lehramtsspezifische Theorie- und Experimentalphysikvorlesungen sowie Lernwerkstätten und Tutorate, die spezifisch für Lehramtsstudent:innen angeboten werden.

 

Vielfalt der Lehramtsstudiengänge

Physiklehramtsstudiengänge sind vielfältig aufgebaut. Bei der grundsätzlichen Gestaltung der Physiklehramtsstudiengänge haben sich zwei Modelle herauskristallisiert, über die es jedoch keinen Konsens gibt:

Beim Y-Modell studieren Physik-Fachstudent:innen zu Beginn gemeinsam mit den Physik-Lehramtsstudent:innen. Das Sui-generes-Modell setzt auf die komplette Trennung von Fach- und Lehramtsstudierenden Physik.

Im Gegensatz zu einem Physik-Fachstudium müssen in einem Zwei-Fächer-Physiklehramtsstudium die Inhalte von beiden künftigen Unterrichtsfächern untergebracht werden – sprich: jeweils zweimal fachliche, fachdidaktische und pädagogische Inhalte. Die Gewichtung der Inhalte untereinander ist von Studienangebot zu Studienangebot unterschiedlich.

Mit Abschluss des Studiums erhalten die Studierenden an unterschiedlichen Hochschulen bzw. Studiengängen auch verschiedene Abschlüsse: Staatsexamen, Bachelor bzw. Master of science, Bachelor bzw. Master of education.

Zudem gibt es bundesweit keinen Standard, der regelt, welcher Abschluss zum Unterricht an welcher Schulform und -stufe befähigt.

 

Randbedingungen der Universitäten

Bei der Konzipierung von Lehramtsstudiengängen müssen die Hochschulen verschiedene Randbedingungen berücksichtigen. Manche davon sind politisch vorgegeben, andere ergeben sich aus praktischen Gründen.

Vor allem muss die „Studierbarkeit“ eines Studiengangs sichergestellt sein.
Dabei müssen die Inhalte eines Lehramtsstudiums – zwei Fächer plus zwei Fachdidaktiken plus allgemeine Pädagogik – so ausgewählt werden, dass sie zur vorgegebenen Zahl von Leistungspunkten passen.

Außerdem gibt es an den meisten Standorten nur „wenig“ Lehramtsstudierende. Für diese kleine Gruppen komplett eigenständige Veranstaltungen anzubieten, ist nicht immer sinnvoll und angesichts begrenzter Ressourcen auch nicht immer möglich. Oft sind Lehramtsstudiengänge Physik deshalb eng an das Fachstudium Physik angelehnt.

Dazu kommt, dass ein starkes Engagement für die Lehramtsausbildung die wissenschaftliche Reputation einer Universität nicht steigert, da diese sich vor allem nach dem Forschungsoutput und den eingeworbenen Drittmitteln bemisst.